Um die Politiker ging es mir nicht, sondern mehr um die Ablehnung gegenüber Europa seitens einer großen Anzahl an Deutschen.
Da denke ich noch nicht mal, dass Europa als Projekt so starke Ablehnung erfährt. Das Problem ist, dass die Medien und die Politik Europa andauernd so darstellen, als sei es die Verkörperung einer geheimen, weltbeherrschenden Machtelite.
Da wird von der Brüsseler Bürokratie gesprochen, offenkundig ohne zu wissen, was dieses Wort überhaupt bedeutet. Da werden absolut unwichtige Beschlüsse
(die vielzitierte Gurkenkrümmungsverordnung sei hier mal exemplarisch genannt, obwohl die auch deutlich weniger schlimm ist, als oft behauptet, und obwohl niemand, der das Ding andauernd kritisiert, ihren tatsächlichen Inhalt kennt und obwohl die schon längst abgeschafft ist) aufgeputscht, als seien sie der zentrale Bestandteil einer europäischen Kooperation.
Wichtige, gute und populäre Dinge wie z. B. die Bankenaufsicht oder die Freizügigkeit werden da nur nebenbei oder meistens gar nicht erwähnt.
Immerhin bin ich froh, dass - zumindest meiner Einschätzung nach - die Europawahl endlich zunehmend ins öffentliche Interesse rückt. Leider hat die Europapolitik immer noch nicht den Stellenwert, den sie eigentlich verdient.
Das sehe ich anders. Denn warum sollten sich die Volksvertreter der aktuellen Staaten die dann in einem europäischen Parlament sitzen höher Standards wollen, als jetzige Staatschefs?
Weil ihre Funktion, ihre Legitimation und ihre Abhängigkeit eine andere ist. RegierungschefInnen haben "daheim" noch eine Innenpolitik, können sie da Erfolge vorweisen, ist ihre Wiederwahl unabhängig von ihrer europäischen Haltung sicher. Außerdem gibt es hier häufig auch eine persönliche Beliebtheit, die vom politischen absolut losgelöst ist (Stichwort: Merkelfaktor).
EinE EU-ParlamentarierIn dagegen muss in der EU ne gute Arbeit machen - sonst wird man nach fünf Jahren halt nicht wiedergewählt. Das ist zumindest das Grundprinzip. In Wahrheit werden Parteien gewählt. Aber: Diese Parteien müssen ne gute und populäre Arbeit leisten, um gewählt zu werden. Diese Arbeit wird durch Menschen, nämlich durch Abgeordnete, gemacht, daher sind die Parteien daran interessiert, nur fähige Menschen auf die KandidatInnenliste zu wählen.
Mal abgesehen davon, dass es tatsächlich noch einen Staat gibt, der einen(gewählten) absolutistischen Monarchen hat und der sich in Europa befindet, ist es zwar "nur" eine Repräsentativfunktion, aber wie angesehen ist bspw. die Queen im UK oder auch das belgische, spanische, dänische Königshaus.
Welches soll denn diese absolute Monarchie sein? Hint: Der Vatikan ist kein EU-Staat.
Und Menschen mit hohem Ansehen gibt es auch außerhalb der Politik. Hoeneß schwebt noch immer unantastbar über den Menschen. Einen Bischof nicht zu mögen grenzt in manchen sozialen Gruppierungen an puren Wahnsinn. Gauck ist unantastbar, denn solch eine solch gottgleiche Person sollte nicht durch unsereins beschmutzt werden. Doch diese Liste, die sich noch lange weiterführen ließe, ist keine Gefahr für unsere Demokratie. Sowas wird es wohl immer geben - das darf kein Hinderungsgrund für Europa werden.
Ich behaupte nicht, dass man diese braucht oder nicht braucht, sie sind eben einfach da. Du willst diesen Status Quo verändern, nicht ich...
Wenn man den status quo nicht ständig überdenkt, wird man irgendwann in den Mühlen der Geschichte zerrieben.
Ich denke ganz einfach, dass wir ein starkes und geeintes Europa brauchen, um weiterhin selbstbewusst in die politischen Alltagsfragen zu gehen. Immer wird das Augenmerk auf die Außenpolitik gelegt. China erstarkt, USA und Russland sind große Staaten, da braucht es ein starkes Europa, um dem gegenüberzutreten, geschenkt. Wichtig wäre mir aber die verbesserte Lösung innenpolitischer Konflikte: Die ständige Verbrauchsteuerumgehung durch Standorte im EU-Ausland (von der ich btw profitiere), die Schuldenkrise, die hohen Arbeitslosenzahlen, der Umweltschutz, ect. - das alles sind Probleme, die sich mEn im europäischen Kontext besser lösen lassen als im nationalen.