Fortsetzung
Showdown
Die Schüsse kamen von unten. Allem Anschein nach hat Gonzalez den Kerl mit Rafe verwechselt. Sicher dachte er, dass Rafe die Treppe herunter kommen würde und schoss sofort.
Plötzlich hört Rafe von unten das dumpfe Krachen einer Tür, dann den entsetzten, gellenden Schrei Anitas. Hastig läuft er die Treppe runter. Unten sieht er die offene Tür am anderen Ende des Ganges und hört den dröhnenden Schuss im Kellergewölbe widerhallen.
Anita schreit noch einmal auf, seltsam hoch und spitz. Dann poltert es zwei mal.
Ein paar Augenblicke später brüllt Raoul Gonzales:
“Zurück! Kommt nicht her! Ich habe ihn niedergeschlagen. Ich erschieße ihn, wenn ihr nicht verschwindet! Ich habe ihn - bleibt weg!”
Rafe geht ganz langsam, schiebt sich an der Wand entlang und lässt die schwere Tür nicht aus den Augen. Sie steht halb offen. Er hat den Revolver auf die Öffnung gerichtet. Den verletzten Arm presst er an seine Seite. Die Lampe hängt weit hinten im Gang an der Decke. Sie schwankt leicht, scheint auf die Tür und taucht sie in Licht.
“Gonzales”, ruft Rafe grimmig. “Du kommst niemals lebend hier raus. Wir erwischen dich. Komm freiwillig und lass ihn in Frieden, sonst hängen wir dich auf, das versprech ich dir.”
“Und ich verspreche dir, dass ich ihn erschießen werde, wenn du nicht verschwindest! Ich habe ihn, verstehst du?”
Es schurrt etwas in dem Raum, die Tür bekommt einen Stoß.
Im nächsten Augenblick fällt Bryan in den Gang, bleibt einen Schritt vor der Tür liegen und bewegt sich nicht.
„Jetzt pass gut auf!“, faucht Gonzalez aus der Dunkelheit des Kellers wild. „Ich ziele auf ihn. Ich sehe dich, ich bin hier und sehe dich durch die Türangeln. Wirf den Revolver weg, du - du lebst ja noch, du Schurke, du lebst! - Weg mit dem Revolver und dann aus dem Gang zurück, cachài?“
„Das Mädchen“, fragt Monroe und fixiert den schmalen Spalt zwischen Tür und Angeln. „Was ist mit dem Mädchen, Gonzalez?“
„Diese Närrin“, erwidert der Mexikaner kalt. „Dein Freund Hal hatte sich vor sie gestellt, um sie zu schützen, aber als ich hereinkam, stieß sie ihn fort und stürzte sich auf mich. Sie wollte mir den Revolver aus der Hand reißen, dabei löste sich ein Schuss. Ich weiß nicht, was mit ihr ist. Es ist zu dunkel hier drin. Lass fallen, oder Hal ist tot.“
„Du kommst nicht weg!“
Rafe macht die Hand auf, die Waffe poltert zu Boden. Er kann nun den stiernackigen Mann erkennen, der langsam aus der Tür tritt, sich dreht und den Revolver auf ihn richtet.
„Raus!“, sagt Gonzalez fauchend. „Hinauf mit dir. Ich werde schießen, wenn ihr nicht verschwindet. Ich schwöre es euch, ich tue es. Gehst du wohl hoch, Monroe?“
Er steht lauernd und tödlich gefährlich vor Bryan, sein Revolver zeigt auf Rafe, der langsam rückwärts geht und an die Treppe stößt.
„Schneller, Monroe!“
Die Stimme von Gonzalez hallt dumpf durch den Keller.
Und dumpf auch durch jenes Loch, das hoch an der Wand ist und nach draußen führt.
Die Stimme kommt wie aus einem Trichter zu Charlie Benton hoch.
Der alte Charlie sieht durch das Loch, hat die Hand ausgestreckt und zielt.
Er sieht Gonzalez gegen das Licht der Laterne, erkennt den Revolver, der nicht auf Bryan zeigt, und lässt den Hammer los.
Rafe ist genau an der Treppe und neben dem Banditen, den Gonzalez an seiner Statt erschossen hat.
Im nächsten Augenblick dröhnt es laut durch den Keller. Gonzalez zuckt zusammen, dreht sich, knickt ein und stürzt im rollenden Donner, der durch den Keller fegt, an die Wand neben der Tür. Dabei verliert er den Revolver. Er sitzt plötzlich mit dem Rücken an der Wand.
Rafe aber sieht, wie der Mexikaner mit der linken Hand nach der am Boden liegenden Waffe fasst. Der Revolver kommt hoch, schwenkt und richtet sich auf Bryan.
Vor Monroe aber liegt der Revolver des toten Banditen.
Er bückt sich, hebt die Waffe auf und feuert zweimal blitzschnell.
„Rafe, alles in Ordnung?“
„Ja“, sagt Rafe heiser, als Davis und Benton in den Keller stürzen. Er lässt den rauchenden Revolver sinken. „Er wollte doch tatsächlich noch auf Bryan schießen, der Verbrecher. Das Mädel, mein Gott… Hast du es mitbekommen, Charlie?“
Charlie sieht auf Rafes Schulter, rennt dann los und stürmt in den Keller. Sam Davis geht zu Bryan, zieht ihn hoch und rüttelt ihn.
Rafe stolpert vorwärts. Davis lässt Bryan los und nimmt die Laterne vom Haken. Von draußen kommt Burns Stimme.
„Einer ist weggerannt. Die anderen hab ich hier. Alles in Ordnung hier oben. Was ist mit Bryan?“
„Er wacht gerade auf“, ruft Davis zurück. „Hier ist Licht, Charlie, was ist…“
Bryan kommt torkelnd auf die Beine, sieht Rafe groß an und hält sich an der Wand fest.
„Rafe! - Du bist - oh, mein Kopf - mein… Anita!“
Er dreht sich, stößt sich ab und bleibt in der Tür schwankend stehen.
„Keine Angst, Bryan. Sie hat auf der Seite gelegen. Ich dachte schon, es wäre sehr schlimm“, sagt Charlie ganz ruhig und hebt das Mädel vorsichtig hoch. „Die Kugel ist durch den Oberarm gegangen. Anita hat ziemlich viel Blut verloren und ist ohnmächtig. Alle Achtung, hat sie sich wirklich auf den Kerl gestürzt?“
„Ja“, antwortet Bryan und blickt Rafe immer noch verwirrt an. „Sie stieß mich zur Seite. Ich stand vor ihr, um sie vor dem Kerl zu schützen, und flog gegen die Wand. Ich weiß nicht, woher sie die Kraft genommen hat, so leicht bin ich ja auch nicht. Ehe ich mich umdrehen konnte, hörte ich den Knall und wurde von dem Halunken niedergeschlagen. Charlie, gib sie mir und kümmer dich um Rafe. Ist das nicht ein prächtiges Mädchen, Rafe?“
„Das hab ich dir ja gesagt, als wir uns das letzte Mal sahen“, murmelt Rafe leise. „Ich weiß nicht, was ich an deiner Stelle tun würde, aber…“
„Aber ich weiß es“, erwidert Bryan fest. „Und wenn mein Vater mich enterbt, arbeiten kann ich immer noch, auch für zwei! Und für noch mehr! Danke, Charlie.“
„Bedank dich bei dem, nicht bei mir, Junge.“
Charlie Benton lächelt leicht und nickt in Rafes Richtung, als er Anita Bryan in die Arme gibt. Dann bemerkt er den Blick, den Bryan und Rafe wechseln.
„Würdest du dich bei mir bedanken, Rafe?“, fragt Bryan, als er mit Anita losgeht.
Rafe sieht ihn an. Er lehnt an der Wand, ist ein wenig blass um die Nase, aber er lächelt.
„Nein“, murmelt er sanft. „Das wollen wir gar nicht erst anfangen, was?“
Und er lächelt noch, als er Bryan an der Treppe verschwinden sieht.
Man sieht sich an, wenn man sich versteht, denkt Rafe Monroe. Mehr braucht man doch nicht, wie? Unter Freunden gibt es keinen Dank. Was einer für den anderen macht, das muss er freiwillig tun und nie dafür Dank erwarten, sonst ist es keine echte Freundschaft.
Dann geht er los.
Charlie links von ihm und Davis an seiner rechten Seite.
Sie treten hinaus in die Nacht und schauen zum Brunnen.
Dort kniet Bryan am Boden, hat den Kopf des Mädchens in seinem Schoß und wird gleich mit dem Verband um ihren Arm fertig sein.
Sie hat ihre dunklen Augen weit offen und sieht ihn an.
„Ich fahre mit dir fort“, murmelt sie leise. „Ganz weit, Bryan. Auch in die Stadt, Bryan?“
„Ja, Liebes, auch in die Stadt. Und die Leute, die wir besuchen, werden sagen, dass du jeden Tag schöner wirst.“
„Jeden Tag schöner, Bryan… nur für dich.“
„Nur für mich, ja.“
Er streichelt über ihr Haar und lächelt.
***
Ein Kapitel kommt noch!