Na, dann wollen wir mal ...
"The Brutalist" ... mit Adrian Brody, Guy Pearce, Felicity Jones und von Brady Corbet regiesseuriert, bei dem ich mir nicht sicher war, ob ich nächste Woche noch seinen Namen weiß ... nun ja, zumindest das kann ich jetzt verneinen, denn diesen Namen werd ich so schnell nicht vergessen.
Der Film geht dreieinhalb Stunden, hat allen Ernstes eine eingebaute Pause (Intermission), und ich krieg hier gar nicht alles untergebracht, auch das ist sicher. Darum zuerst einmal die Kurzfassung für alle, deren Aufmerksamkeitsspanne gerade so für einen eloquenten
Trieb Tweet von Donald Trump reicht:
Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil!
Für den Rest: Der Film ist der absolute Wahnsinn, und das in fast jeglicher Hinsicht !!!
Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll ... vielleicht beim Titel: Brutalismus ist eine Kunstrichtung, genauer gesagt ein architektonischer Stil, der sich dadurch auszeichnet, dass Beton, purer Beton im Vordergrund steht, er wird also nicht verschalt bzw. verblendet mit Granit oder Holz oder sonst was. Der Name wird hergeleitet vom französioschen
béton brut, roher Beton, Sichtbeton. Brutalismus hat eigentlich nichts mit mit dem Begriff "Brutalität" zu tun, wie wir ihn kennen, obwohl so einige Bauten recht brutal wirken können. Erfunden hat das Ganze ein gewisser Le Corbusier (also irgendwas mit "Rabe", da ich Edgar Allan Poe verehre, konnte ich mir diesen Namen merken ... schon krank irgendwie, egal!), dessen richtigen Namen ich aber tatsächlich schon längst vergessen habe. Brutalismus ist schlicht, bietet Raum, hat ein eigenes Spiel mit Licht und Schatten, liebt Flachdächer und geometrische Formen, Funktion kommt aber noch vor der Form und noch jede Menge Firlefanz, die da hineingedichtet wird ... ich muss dazu sagen, dass ich vor 30 Jahren tatsächlich mal vier Semester Kunstwissenschaften studiert habe, ich kenne mich also mit Kunst und dazugehöriger Geschichte ein wenig aus, aber irgendwann habe ich für mich die Grenze gezogen, dass so ziemlich alles am heutigen Kunstverständnis, aber mehr noch an gewissen Kunststilen, die ab dem 19. Jahrhundert (das fing eigentlich schon vorher an, egal) auf die Menschheit losgelassen wurde, für mich vordergründig urteilsfrei unter "Moderner Kunst" labeln, obwohl der Begriff etwas völlig anderes bezeichnet ... naja, es gibt halt
Müll, dann gibt es noch
Dreck, und es gibt
Schmutz, da muss man halt differenzieren.
Tatsächlich finde ich aber kaum etwas verachtenswerter, als dass man zB einen Meister wie Michelangelo und einen Stümper wie Joseph Beuys in einen Künstler-Topf wirft, bzw. beide als Künstler bezeichnet werden. Das kotzt mich an! Auch nach 30 Jahren noch. Irgendwann hat mal einer gesagt:
"Kunst muss nicht schön sein!", da streiten sich die Geister, wer diesen an Dämlichkeit kaum noch zu überbietenden Schmutz zuerst in die Welt gesetzt hat. Denn seitdem darf Kunst alles sein, nur nicht schön! Heutzutage muss Kunst immer eine Botschaft haben ... am besten noch mit einem dreiseitigen Essay, das Dir zu einem Gemälde gereicht wird, man liest:
"Man kann deutlich erkennen, wie der Künstler sich auf eine absurde Jagd begab, die kein Ziel hatte, dennoch war er erfolgreich und kehrte mit seiner grotesken Beute zurück, die im Einklang mit der Metaphysik des Einzelnen und als Anklage des Ganzen blablabla", und man sieht sechs horizontale und sieben vertikale schwarze Linien, einige der dadurch entstandenen Vierecke sind bunt ausgemalt, und fertig ist ein
Mondrian, Kostenpunkt ca. 50 Millionen US$. Gleiches gilt für mich für Miró und Co. Ich hab da leider eine sehr, sehr festgefahrene Meinung zu. Eine leere Leinwand in einer Galerie aufzuhängen, halte ich bestenfalls für schwachsinnig. Getoppt wird das für mich ja nur noch mit Bananen, die mit Panzertape an einer Wand befestigt werden ... es geht heutzutage nicht mehr um das Kunstwerk an sich, sondern um die Idee dahinter ... und es tut mir leid, aber das will sich bei mir im Hirn einfach nicht in der Akzeptanz-Ecke unterbringen lassen. Ganz einfacher Merksatz: wenn ich das innerhalb einer halben Stunde 1:1 kopieren kann, kann es keine Kunst sein. Und Butter auf einen Stuhl spachteln ist für mich genauso wenig Kunst wie Architektur. Klar gibt es schöne Häuser, Bauten etc., gar keine Frage, aber es sind Nutzgegenstände. Da heißt es "Design" und nicht "Kunst" ... witzigerweise - um endlich die Kurve zu kriegen - darf man Berliner Plattenbauten nicht als "Brutalismus" bezeichnen, weil ... ääh ... da wohnt man ja drin, da hat der Künstler ja einen Zweck verfolgt und keinen Sinn. Hätten wir das geklärt. Und ja, wegen dieser beiden Absätze krieg ich jetzt bestimmt von einigen Freunden seltsamer Bilder einiges drüber ... fire at will!
Zum Film selbst ... der ist ein Biopic, aber das einer fiktiven Person. Den Protagonisten
László Tóth hat es nie gegeben ... doch, es hat ihn gegeben, dazu aber später mehr.
Story: Kannste vergessen! Nicht die Story jetzt, die ist großartig und noch großartiger erzählt. Aber der Film ist nicht von ungefähr ein fast vierstündiger Klopper. Er macht unglaublich viele Fässer auf ... den amerikanischen Traum, Faschismus, Toleranz, Alkohol- und Drogenmissbrauch, zweiter Weltkrieg, Verfolgung von Juden allgemein, Shoa speziell, grob Holocaust, Israel als Bedeutung für Juden, Aufstieg und Fall und wieder Aufstieg und wieder Fall einer Karriere, Kapitalismus, Kontrollwahn, Armut, Erniedrigung, Kunst, Architektur, Gewalt, Prostitution, Ausbeutung, Individualität im Kollektiv, Identität, Anpassung, Rassismus, Macht, Vergewaltigung, Einwanderung, Akzeptanz der Einwanderer in den USA, Integration, strahlendes 50er Jahre Amerika ... dazu kommt auch noch ein Familiendrama ... und das soll ich jetzt in einen Absatz zusammenfassen? Kannste vergessen, ich probier's aber mal grob:
László Tóth (ich hab mich den halben Film über gefragt, warum es bei mir bei dem Namen klingelte, aber ich kam anfangs nicht drauf), ein ungarischer Jude, gefeierter Dessauer Bauhaus-Student (Kunstschule, wem "Bauhaus" nix sagt) und Architekt, gespielt von Adrian Brody, überlebt das KZ Buchenwald, reist nach dem 2. Weltkrieg in die USA ein, um dort ein neues und hoffentlich besseres Leben zu führen, den sprichwörtlichen
"american way of life" zu lifen, schließlich müssen die Amis ihn ja mögen, sie haben ihn ja befreit ... denkt er, während seine Frau und die Nichte an der österreichischen Grenze festhängen. Anfangs arbeitet er bei seinem Vetter, einem christlichen Konvertiten, in dessen Möbelgeschäft, aber die badassige Vettern-Ehefrau sorgt schon bald dafür, dass er wieder auf der Straße sitzt, weil sie ihren Mann Glauben macht, dass sein Vetter bald eine Affäre mit ihr anfängt. Erst schaufelt er Kohle, dann arbeitet er am Bau, lernt einen neuen Freund kennen (großartig: Isaac de Bankolé) ... aber vorher irgendwann kommt der Sohn des Großindustriellen
Harrison Lee Van Buuren, Harry Lee Van Buren (Joe Alwyn) zu ihm, denn die Familienbibliothek müsse doch bitte ein wenig aufgepeppt werden.
Lázló macht sich an die Arbeit, pimpt die Bücherei mit Minimalismus ... der Raum ist komplett leer, die Bücher sind hinter Lamellen versteckt, um sie vor Sonnenlicht zu schützen, es ist aber halt nichts Schmückendes da, nur ein fast leerer Raum, nur Holzwände, Marmorfußboden und eine Stahlrohrliege. Und das findet Papa
Van Buren (Guy Pearce) nicht so dolle. Der brüllt und tobt und schmeißt
Lázló kurzerhand raus, ohne die Rechnung zu begleichen.
Später kommt ein Artikel in im
Look-Magazin, in dem
Lázlós Arbeit an dieser Bibliothek hoch gelobt wird. Papa, also
Harrison Lee Van Buren, erfüllt mit einer unglaublichen Leere, erkennt seinen Fehler, macht sich ein wenig schlau über den Verschmähten, sucht dann
Lázló auf, damit der ihm, seiner geliebten Mutter zu Ehren, ein Gemeindezentrum baut, mit Bibliothek, mit Kapelle und dem ganzen Pipapo. Da macht er sich dann dran. Er frönt dem Alkohol, Opium, irgendwann reisen die zwei Mädels nach, seine Frau (Felicity Jones) ist an hungerbedingter Osteoporose erkrankt, die Nichte (Raffey Cassidy) sagt kein Wort, ist stumm, warum auch immer. Beide wohnen dann mit ihm auf dem
Van Buren Grundstück, irgendwann hält seine Frau das dort aber nicht mehr aus, weil die ganze protestantische Pennsylvania-Gemeinde den Juden gegenüber jetzt nicht sonderlich freundlich gestimmt ist, und reist nach Israel aus, weil der Amerikanische Traum sich für sie nicht erfüllt, aber Israel zumindest eine Heimat darstellt, die sie in den USA nie finden konnte.
Und was dann kommt, lässt sich eigentlich nur schwer zusammenfassen:
Harrison Van Buren ist, wie erwähnt, ziemlich leer und von einer innerlichen Unbeholfenheit wie nur was geprägt. Außer damit anzugeben, dass er reicher als alle anderen ist, hat er wenige Interessen, also versucht er sich halt mit
Lázló zu "schmücken". Aber er ist auch ein unglaublicher Machtmensch, der in Kunst nur Prestigeobjekte sieht und der ihm in tausend Dingen versucht, reinzureden bei diesem Mammutprojekt. Das gipfelt dann wirklich darin, dass er ihn schlicht und ergreifend vergewaltigt (jetzt ganz sicher keine Vergewaltigung von der "Qualität" wie zB in
"I Spit on Your Grave", aber dennoch ist diese Szene wie ein Schlag in die Magengrube, wenn der Kapitalismus quasi die Kunst vergewaltigt, absolut verstörend zu dem Zeitpunkt), um seine Macht zu demonstrieren, weil er beobachtet hat, wie
Lázló mit einer Tänzerin flirtet, und ihm da gewahr wurde, dass er nicht der Mittelpunkt in
Lázlós Leben ist, wovon er bisher wie gottgegeben ausging. Und er macht dem Architekten auch sehr schnell klar, dass er allenfalls geduldet ist in seinem Land, keinesfalls willkommen, und das auch nur, wenn er liefert und nur so lange er liefert. Das Bauprojekt stagniert, es kommt zu immer gewaltigeren Übergriffen ... am Ende steht das Ding, und 1980 wird
Lázló auf der Architektur-Biennale in Venedig geehrt (wie der bis dahin überleben konnte, bleibt mir aber ein Rätsel, denn der raucht den Film über locker eine LKW-Ladung Zigaretten weg ... echt, was der da wegzieht, hätte den Marlboro-Mann zehn Jahre früher ins Grab gebracht) ... damit fängt der Film eigentlich an ... Du kannst den Story einfach nicht in zehn Minuten abhandeln. Sorry! Doch, eigentlich kannst Du sie in einem Satz zusammenfassen:
"Jude flieht nach Amerika, will den Amerikanischen Traum leben, zerbricht daran aber fast und wird am Ende dennoch für sein Genie gefeiert." Nur damit tust Du aber der Story, eigentlich dem ganzen Film Unrecht. Das sind halt fast vier Stunden, in denen Dir eine Geschichte erzählt wird, das krieg ich nicht mal eben in drei Sätzen ... womit man ihm übrigens auch nur Unrecht tun könnte, wäre, ihn zu versuchen, als Parallele, als Analogie oder Allegorie des trump'schen Amerikas zu sehen ... sowas hasse ich eh, Film ist Film, Trump ist Realität. Natürlich kann man da Vergleiche bemühen, man fühlt sich dazu auch durchaus eingeladen, wie ich zugeben muss, aber warum muss man das dann auch ums Verrecken tun? Wenn man in dem Film unbedingt zB Kapitalismuskritik sehen will, also auf den realen und gegenwärtigen Kapitalismus bezogen, dann macht der Film keinen Spaß, denn diese Kritik wird in dem Film ziemlich exzessiv und plakativ gezeigt, vollkommen überzeichnet, wenn man es auf die Realität bezieht. Darum: wenn Ihr Euch den Film anseht, seht ihn bitte auch nur als Film, denn dann funktioniert er auch. Aber bitte nicht als Metapher für irgendetwas Aktuelles, denn dann wird's Murks. Lasst den Film bitte in dem Jahrzehnt, in dem er auch spielt. Denn er will die Geschichte eines Mannes erzählen, dessen Genie sich gegen alle Widerstände durchsetzt, er will über Architektur erzählen, großartige Bilder zeigen und nicht belehren.
Ich lass das jetzt auch mal mit der Story, weil das dann ein Post ergäbe, der selbst mir zu lang wäre.
"The Brutalist" hat einen Epilog, dann zwei Akte, durch eine exakt 15minütige Intermission unterbrochen ... meine Blase war dankbar, und einen Epilog, je nachdem, wie Du den Film wahrnimmst, hast Du einen Zwei-, einen Drei- oder gar einen Vierakter ... das soll nicht von ungefähr an eine Oper erinnern. Dreieinhalb Stunden plus Halbzeit sind lang, keine Frage, aber
der Film ist ein verdammtes Meisterwerk !!!
Die Bildsprache sucht wirklich ihresgleichen. Zu Anfang sieht man
Lázló auf einem Schiff in Amerika ankommen, zuerst steht die Freiheitsstatue Kopf, dann liegt sie quer und schließlich steht sie gerade, und genauso stellt er sich sein Leben von nun an vor, er kam aus der Hölle und jetzt geht es nur noch aufwärts. Der ganze Film lebt von solchen Bildern, von solchen Analogien. Im zweiten Teil zB gibt es ein Zugunglück, und eine so geniale Montage habe ich selten gesehen: Zugfahrt, Verschwinden hinter Wolken, eine angedeutete Explosion, dazu der Schrei von
Lázlós Frau im Hintergrund ... zehn Jahre vorher fuhren diese Züge noch in irgendein KZ, um die Juden dort zu "entsorgen", und wie Corbet es schafft, das zu assoziieren, ohne es explizit zu zeigen, ist der schiere Wahnsinn! Und das ist nur ein Beispiel von zig.
Die Kameraarbeit (Lol Crawley) ist trotz des Formats richtig gut. Mal wird Dir per Handkamera die Orientierungslosigkeit
Lázlós vermittelt, mal sehr formale Bilder von den Bauten, wie für Postkarten gemacht, das ist manchmal Arthouse, aber nie Stilleben, denn die Kamera ist immer in Bewegung, langsam zwar aber stetig. Mal verharrt die Kamera gefühlt minutenlang auf Gesichtern, mal streichelt sie förmlich Betonwände und Marmoroberflächen, als wolle sie der Architektur ein Denkmal setzen, durch dieses breite Bild wird Dir eine Größe gegeben, wie Du sie im Kino nur selten gesehen hast, perspektivisch kannst Du Enge und Weite förmlich spüren, was da an Licht- und Schattenspielen gezeigt wird, ist ganz, ganz großes Kino. Besonders kommt das dem Zeigen eines Steinbruchs in der Toskana zugute, nicht irgendein Steinbruch, sondern
der Steinbruch, der Carrara-Marmor-Steinbruch (war übrigens auch der "Lieblings-Steinbruch" der italienischen Faschisten, die wollten damit das "neue Rom" gestalten). Natürlich sieht der auch so schon majestätisch aus, ein monumentales Bildnis der Zerstörung (wie halt ein Steinbruch aussieht), aus der aber wahre Kunst hervorgehen kann ... aber die Kamera macht diesen eh schon wahnsinnig epochalen Anblick noch ein paar Nummern größer. Und just in dem Moment wusste ich übrigens auch wieder, wieso es bei dem Namen "László Tóth" unaufhörlich in meinem Kopf klingelingelingte: Der eingangs erwähnte Michelangelo hat bevorzugt seine Marmorblöcke, aus denen er seine Kunstwerke klöppelte, aus eben diesem Steinbruch bezogen, unter anderem für seine
Pietà. Und in den 70er Jahren gab es so einen Bekloppten, der ihr mit einem Vorschlaghammer fast einen Arm abgeschlagen hatte, und dieser Irre hieß eben László Tóth, kein Scheiß (den Namen konnte ich mir damals merken, weil ich Ägyptologie total toll fand, und "Thot" ist unter anderem der ägyptische Gott der Weisheit und des Westens, Tóth kam aus Australien, wenn ich nicht irre, also viel östlicher geht es eigentlich nicht auf der Landkarte ... sorry, aber so funktioniert mein Hirn halt) .... Der Film ist übersät mit solchen "Easter Eggs" (for lack of a better word). Der protagonisierende Erschaffer trägt den Namen eines Zerstörers, er litt unter dem Faschismus, frönt aber einem Stil, den ein Faschist erst erfunden hatte (La Corbusier war befreundet mit einem gewissen Dr. Pierre Winter, einem Parteioberen der
Faisceau, der ersten faschistischen Partei Frankreichs, und Eugenik fand er auch ganz dufte). Der Antagonist trägt den Namen eines Präsidenten, der als der erste wirklich amerikanische Präsident in die Geschichte einging (alle vor ihm waren noch geboren als Bürger der britischen Krone, die Unabhängigkeit wurde ja erst 1776 proklamiert), er treibt dieses
"natural born citizen" noch auf die Spitze, denn er ist Amerikaner durch und durch, der Künstler hingegen nicht, er wird höchstens geduldet, was er ihn wieder und wieder spüren lässt. Und da gibt es noch tausende solcher Easter Eggs oder Gimmicks, younameit.
Das Ganze ist auf VistaVision gefilmt, ein recht kompliziertes Verfahren, vereinfacht (und nicht 100%ig korrekt): es wird auf normalem 35mm gefilmt, aber quer, also längs, zwei Negative pro Bild statt eines, dann wird das Bild wieder um 90° gedreht und zurück auf 35mm kopiert, damit man es auf normalen Projektoren laufen lassen kann, was dazu führt, dass oben und unten die berühmten schwarzen Balken zu sehen sind, es sieht also aus wie 70mm Panavision, aber halt grobkörniger. Im Grunde genommen ist das ungefähr so, als würde man sich eine Blu-ray auf einem 30cm Röhrenfernseher ansehen. Das war in den 50ern, in denen der Film hauptsächlich spielt, total hip, warum auch immer. Aber in diesem Fall passt das wie Faust aufs Auge.
Die Story selbst, und das habe ich selten erlebt, dient vordergründig eigentlich nur dazu, die Prota- und Antagonisten voneinander zu separieren und kurz zu zeigen. Die Figuren, wirklich alle, sind gar nicht so schwer zu verstehen. Eigentlich sogar ziemlich eindimensional. Aber Du hast eine Felicity Jones, die mal so richtig gut spielt, die wird noch getoppt von Adrian Brody ... nimm den mit seiner besten Performance, wahrscheinlich die aus
"Der Pianist" (wovon er sehr viel mitnimmt für seine Rolle als
Lázló) und multipliziere sie mit 20, dann hast Du seine Leistung. Aber wenn ich jetzt behaupte, dass Adrian Brody in absoluter Höchstform sogar fast noch an die Wand gespielt wird (was die schiere Leinwandpräsenz angeht) von Guy Pearce, glaubt mir das eh keiner, aber es ist so. Wenn Pearce keinen Oscar bekommt, falle ich vom Glauben ab, dito Brody und Jones ebenfalls. Und das für eine geradezu lächerliche Gage, der Film hat insgesamt 10 Millionen gekostet.
Die Figuren sind recht eindimensional gezeichnet, die hast Du alle nach zwanzig Minuten komplett verstanden. Das bedeutet allerdings nicht, dass die Schauspieler es nicht schaffen, ihren Rollen trotzdem eine gewisse Tiefe und Glaubwürdigkeit zu verschaffen und das, ohne aufgesetzt oder wie eine Karikatur zu wirken. Wie gesagt, was Pearce da spielt, ist kaum noch zu übertreffen. Ein Mann, der sich darauf etwas einbildet, in Amerika geboren zu sein, der reich ist, so ziemlich alles und jeden verachtet, der gerade so viel Sensibilität, so viel Gefühl aufbringt, um unter seiner eigenen Leere zu leiden, der keinen Zugang zur Kunst findet, sich aber gerne mit ihr schmückt, um noch mehr wahrgenommen zu werden, ein Muttersöhnchen, ein kaputter Machtmensch, der auch nicht vor drastischen Maßnahmen zurückscheut, um zu zeigen, wer hier
in charge ist, wer das Sagen hat, ein Mann, der innerlich so unglaublich hohl ist, der durchaus freundlich sein kann, interessiert auch, wenn man ihm alleine gegenübersitzt, der aber sofort in den Show-Modus schaltet, sobald er sich vor Publikum wähnt, vor dem er sich dann wie ein eitler Pfau aufblasen muss, der mit sich kämpfen muss, um seine Verachtung für
Lázló, weil der eben Jude und (fast noch schlimmer) kein Amerikaner ist, mit seinem Wunsch, sich mit ihm zu schmücken in Einklang zu bringen, was ihm immer weniger gut gelingt, der an jeder Ecke mit seinem Reichtum nicht nur prahlen muss, er benutzt ihn hauptsächlich, um andere damit zu demütigen, ein Exzentriker mit Hang zum Theatralischen, manipulativ und megaloman, rassistisch und antisemitisch.
Van Buren kauft sich
Lázló als menschliches Spielzeug, als Papagei im Käfig, den er mit der Möhre ködert, er finanziere ihm dessen Traum, endlich mal etwas so zu bauen, wie der es sich vorstellt, nur, um ihm dann doch wieder und wieder reinzureden, denn eigentlich will er gefälligst Anerkennung als Kapitalist, er will geachtet werden oder zumindest gefürchtet, rund um die Uhr, ein Mann, der es nicht erträgt, wenn er nicht im Mittelpunkt steht oder wenn andere nur eine andere Meinung haben. Er beneidet
László um sein Talent, von dem er aber irgendwann einsieht, dass dieses Talent nie auf ihn selbst übergeht, was ihn ziemlich fuchsig macht. Fortan setzt er alles daran, aus der anfänglichen Männerfreundschaft ein Abhängigkeitsverhältnis zu machen.
László wiederum ist der "leidende Künstler" par excellence: missverstanden, sensibel, emotional zerrissen, dem Alkohol zugetan und der opioiden Selbstzerstörung nahe. Spannend ist dabei die Veränderung, die der Charakter erfährt, wenn er zB zu Geld kommt und sich immer divenhafter verhält, oder wenn er versucht, sein "Jude-Sein" zu verstecken, um akzeptiert zu werden, nur um hinterher wieder alles zu verlieren. Aber noch viel spannender ist es, dass der Film Dich fesselt, obwohl Du Dich mit keiner Figur wirklich identifizieren kannst. Wer ist hier schon Multimillionär oder Künstler? Wer kann sich wirklich in solche Leute hineinversetzen? Kaum einer ... und trotzdem bleibst Du dran ... das hab ich auch noch nicht so ganz begriffen, wie das kommt. Da gibt es keinen strahlenden Helden mit Zahnpastalächeln, mit dem wir uns immer identifizieren können in einer Geschichte, keinen Jedi-Ritter, keinen Privatdetektiv und keinen Polizisten oder Feuerwehrmann, der irgendetwas Heldenhaftes tut, eigentlich überbieten sich da alle nur in ihrem Kaputt-Sein. Im Grunde genommen, wenn Du wirklich gehässig bist, kannst Du sagen, dass der Background jeder Figur aus der Klischee-Schublade kommt. Das ist auch nicht gänzlich falsch, aber dennoch fragt man sich, um wieviel besser alle spielen würden, wären ihre Figuren tiefer gezeichnet.
Ich bin seit zig Jahrzehnten felsenfest davon überzeugt, dass es keinen besseren "Arschloch"-Schauspieler gab und gibt als Robert Shaw (
"Der weiße Hai",
"Der Clou" etc.), keiner brachte es mit einem einfachen Blick fertig, seine Verachtung für sein Gegenüber so auf den Punkt zu bringen wie er. Bei keinem "Bösewicht" hast Du jemals wieder diese despektierliche Arroganz in Gestik und Mimik gesehen, diese Verabscheuung, diese Missbilligung für alle anderen als Tagesgrundstimmung direkt nach dem Aufstehen. Die Meinung muss ich jetzt revidieren, denn Pearce spielt ab sofort in dessen Liga! Loben muss man Pearces Darbietung allein schon deshalb, weil ihm gegenüber eine Felicity Jones spielt, die mal eben beschlossen hat, oscarreif zu performen, und dann ist da noch ein gewisser Adrian Brody, der seine Leistung aus
"Der Pianist" wie Kindertheater aussehen lässt. Überhaupt hat man das Gefühl, als sei
"The Brutalist" für die Figur Brodys die Fortsetzung von
"Der Pianist", er spielt auch hier den sprichwörtlichen "leidenden Künstler", der sich irgendwie seiner selbst schämt, sich missverstanden fühlt, der Kompromiss um Kompromiss eingehen muss, um sein Werk zu schaffen, was er am Ende aber kaum noch als "sein Werk" wahrnehmen kann, weil seine ursprünglichen Ideen fast schon kastriert wurden. Alle Figuren, durch die Bank, kann man mit Sicherheit besser zeichnen, ihnen mehr Background geben, nicht ganz so plakativ in Gut und Böse, in schwarz und weiß unterteilt schreiben, aber man kann sie verdammtnochmal nicht besser spielen!
Das Storytelling selbst ist auch nicht ohne. Natürlich liegt es nah, dass dem nackten Beton auch nackte Haut und nackte Emotionen gegenübergestellt werden, vielleicht das einzige an der Machart, das man als naiv bezeichnen könnte. Andererseits macht Corbet da auch sehr viel sehr richtig udn fast schon genial: ab dem zweiten Teil (also nach der Halbzeit) gerät zB der Bau dieses Kulturzentrums ins Stocken, zeitgleich aber auch die Geschichte selbst, die eh schon sehr langsam vorangetrieben wird, holpert dann von einer Nebensächlichkeit zur nächsten, aber ohne Langeweile zu erzeugen. War der erste Teil noch dazu da, Optimismus und Aufbruchstimmung zu verbrieten, so wirkt der zweite Teil deutlich kühler, deutlich pessimistischer und fast schon nihilistisch. Nichts ist an dem Film dem Zufall überlassen worden, glaube ich. Da hat jede Szene, jeder Ton, jedes noch so kleine Detail einen Grund und einen Hintergedanken, einen tieferen Sinn, so fühlt es sich auf jeden Fall an. Storytelling geht mit Schauspiel und Kamera eine Symbiose ein, wie ich sie noch nie erlebt habe. Schauspielerführung, Blocking, Szenenbild, Bildgestaltung, nichts, aber auch gar nichts gibt's da auszusetzen. Außer natürlich für die Leute, deren Lieblingsfilm irgendeiner mit Dolph Lundgren ist (außer
"Dark Angel", der war tatsächlich nicht schlecht). Und so ein paar halbwegs intellektuelle Movie-Mupfel werden Dir dann was davon erzählen, wie schlecht die Figuren gezeichnet sind, wie langsam alles erzählt wird, blablabla. Stümpernde Miesmacher gibt's halt immer. Im Schlussviertel, in der
Crunch Time des Films, laufen dann auch endlich alle Erzählstränge zusammen, es ergibt endlich alles Sinn, und Du verstehst, wie sehr
Lázlós Zeit im Nationalsozialismus sich in seiner Architektur widerspiegelt. Du begreifst, dass seine Bauten gar nicht anders hätten erschaffen werden können.
Klitzekleiner Knackpunkt ist für mich aber der Score ... mal hast Du die "Auferstehungssymphonie" von Gustav Mahler, das wird dann konterkariert mit Klavier-Fingerübungen à la Érik Satie oder gänzlich unharmonischem Geklimper, als würde ein dreijähriges Kind auf den Tasten eines "Schimmel" laufen, und mal spielt sich die Musik im Hintergrund ab, mal wird Dir dann alles fast schon wagneresk bombastisch um die Ohren gehauen. Das passt manchmal sehr gut, wenn zB die Bauwerke gezeigt werden, die man durchaus als "brutal" bezeichnen kann, dazu dann ein nicht minder brutaler Score, da wird diese architektonische Gigantomanie noch unterstrichen ... aber es passt halt nicht zu einigen Arthouse-Bildern, wenn die Kamera zB auf einem Gesicht verharrt ... da erzählen Dir die Bilder manchmal etwas komplett anderes, als Deine Ohren wahrnehmen ... vielleicht soll das aber auch genauso sein ... ganz bestimmt sogar, ich versteh's halt nur nicht.
Der Film ist ein episches Meisterwerk! Der spielt nicht nur in einer Liga mit Welles
"Citizen Kane", Andersons
"There will be Blood" und Leones
"Es war einmal in Amerika" - viel höher geht's nicht, und tiefer will ich
"The Brutalist" einfach nicht ansetzen - er erinnert auch manchmal an diese großen Vorgänger, ohne sie zu zitieren.
Das ist kein Popcorn-Kino, selbst, wenn das Kino nur das und mafiös hochpreisiges "Eiskonfekt" zu bieten hat, das ist auch kein Film für einen geselligen Filmabend, kein gute-Laune-Movie für zwischendurch, aber den muss man verdammtnocheins wenigstens einmal gesehen haben! Ihn wird, wie ich stark vermute, das gleiche "Schicksal" ereilen, wie
"Citizen Kane", ein zweites mal wirst Du ihn Dir nicht ansehen, aber Du wirst froh sein, ihn gesehen zu haben. Und das Beton-Mammutwerk, an dem László irgendwo auf einem Hügel im Nichts von Pennsylvania fast ein Jahrzehnt lang baut, erinnert im Größenwahn des Projekts und seiner Unfähigkeit, es zu vollenden und in Anbetracht der kinski'schen Hybris des Auftraggebers fast schon an das Opernhaus in Werner Herzogs
"Fitzcarraldo".
Der Film wird nicht jedem gefallen (allein schon wegen seiner Laufzeit), aber mich hat er vollends überzeugt. Ich hab nur zwei Daumen, deshalb gibbet



von mir.