Bessy macht Probleme
Oh, ich hatte also Recht?! Mein kleines Abenteuer mit Ferdinand scheint dir ja gefallen zu haben. Nun ja, dieses war mein erstes Abenteuer, doch bei weitem noch nicht mein letztes. *Räusper* Oh, ich habe einen richtig trockenen Hals vom vielen Reden...
Ah, eine ganze Flasche Whisky, wie großzügig. Nun, das sollte als Schmiere für die Kehle erst mal reichen. Ich denke, ich kann Dir nun eine weiterer meiner Geschichten erzählen...
Ferdinand und ich wurden ja wie gesagt vom Sheriff aus der Stadt gejagt. Also machten wir uns auf die Suche nach einem neuen Unterschlupf. Nachdem wir in einigen Städten jeweils nur eine Nacht in zugigen und feuchten Schuppen und Ställen geschlafen hatten und uns mittlerweile sogar diese fürchterlichen gebackenen Bohnen ausgegangen waren sah ich mich gezwungen, eine Arbeit zu finden. Schließlich wollte ich meinem freund und Lebensretter etwas besseres bieten.
Nun, ich scheine einfach ein Glückspilz zu sein, denn nachdem wir eine recht kalte und dreckige Nacht hinter uns gebracht hatten wurde ich davon geweckt, dass etwas an meinem Hut zog den ich mir übers Gesicht gelegt hatte. Ich nahm den Hut vom Gesicht und...erschreckte mich fast zu Tode. Vor mir stand eine Kuh die gerade dabei war die Krempe von meinem Hut zu fressen. Weshalb ich deshalb ein Glückspilz bin? Sei ruhig und lass mich ausreden, dann wirst du es erfahren. Also, wo war ich? Ach ja, nachdem ich mich ein wenig von meinem Schrecken erholt hatte hörte ich auf der Strasse jemanden rufen "Bessy, Bessyyyy!" Da ich neugierig bin ging ich hinaus auf die Strasse. Dort traf ich auf einen jungen Kerl. "Heda, Junge, was brüllst Du hier so früh am Morgen herum", fragte ich ihn. "Mein Vater hat mir zum ersten mal erlaubt alleine die Herde auf eine andere Koppel zu treiben. ich war so stolz, denn bis jetzt sagte er immer ich sei zu jung um das alleine zu tun. Nun, wie es aussieht bin ich das immernoch, denn Vaters Lieblingskuh Bessy ist verschwunden. Sie ist eine Zuchtkuh und schwanger - Vater wird mich furchtbar schlagen", und dann lief ihm eine Träne über die Wange. Ich witterte eine Chance, zumindest meinen hut ersetzt zu bekommen, also sagte ich:"Weißt du, mir wurde heute früh der Hut von einer Kuh vom Kopf gefressen. Vielleicht ist es ja deine Bessy. Dort hinten im Stall, da ist sie." Das Gesicht des Knaben hellte sich auf und er lief los in Richtung des Stalls. Dort angekommen erschien ein enttäushter Ausdruck auf seinem Gesicht:"Hier ist nur ein dummer Esel, aber Bessy sehe ich nicht." "Wie kannst du es wagen meinen Ferdinand als dumm zu bezeichnen", wetterte ich, "er ist der klügste Esel der Welt. Und wo deine blöde Kuh hin ist weiß ich nicht, sie war aber hier!!!" Die Unterlippe des Knaben fing an zu zittern, doch bevor er losheulen konnte hörten wir ein Geräusch, ein leises `Muh´. Es kam von hinter dem Stall. Wir schauten uns an und gingen dann in Richtung des Geräusches. Und dann sahen wir es: Hinter dem Stall ging es ein kurzes Stück steil bergab. Der Abhang endete in einem ziemlich ekeligen Gülletümpel der zum Himmel stank. "Bessy, oh nein", rief der Knabe und wollte schon losrennen, doch ich hielt ihn zurück. Tränen kullerten ihmüber die Wangen. Der Grund dafür war der, dass Bessy aus irgendeinem Grund den Abhang hinuntergerutscht war und nun in der Güllegrube festsaß. Die Grube schien recht tief zu sein, denn nur ihr Kopf und die Schultern schauten noch heraus. "Was machen wir denn jetzt? Wenn sie stirbt wird mein vater mir das nie verzeihen!" Oje, der arme kleine Kerl. Ich bin einfach zu gutherzig, denn obwohl ich ihn nicht kannte beschloss ich doch ihm zu helfen. Ich sagte, er solle bei Bessy bleiben während ich im Stall nach etwas suchte was uns weiterhelfen könnte. Wenn etwas passiere solle der Kerl mich rufen. Ich stellte den Schuppen lauf den Kopf und nach einiger Zeit fand ich einen recht stabil aussehenden Strick den wir Bessy um Hals und Schultern legen konnten um sie dann rauszuziehen. "Mister, MISTER, kommen sie schnell, Bessy säuft ab!!!" Als ich das hörte stürmte ich sofort wieder um den Schuppen herum zur Unglücksstelle. Bessy war ein ganzes Stück weiter untergegangen, jetzt schaute wirklich nur noch ihr Kopf aus der Brühe und der auch nur knapp. Mein Plan war also im Eimer. Ich konnte Bessy den Strick nicht nur um den Hals legen. Beim Versuch sie dann herauszuziehen hätten wir sie erwürgt. Aber der Junge war doch so verzweifelt...
Ob ich die Entscheidung die ich damals traf noch einmal für einen Fremden treffen würde - ich weiß es nicht. Damals erschien es mir aber die einzige Lösung. "Halte das Ende des Seils fest. Du darfst nicht loslassen, verstanden?" Der Knabe nickte und krallte sich an dem Seil fest. Und was tat ich? Ich rutshte und schlitterte den Abhang hinunter und landete genau wie Bessy in der stinkenden Grube. Sofort wurde mir schrecklich übel und ich musste mich sehr zusammenreißen um die Grube mit meinem Mageninhalt nicht noch weiter anzufüllen. Als erstes hob ich Bessys Kopf soweit an wie es ging. Sie war wohl doch keine so blöde Kuh, denn sie hielt ihren Kopf weiterhin in der höheren Position. Nun kam der schlimmste Teil: Da meine Arme natürlich nicht um Bessys Köper herumreichten musste ich unter ihr hindurchtauchen. Oh man, wenn ich mich daran erinnere wird mir schon wieder schlecht. Aber ich tat es. Überall mit Gülle und wer weiß was noch bedeckt tauchte ich auf der anderen Seite von Bessy wieder auf. Ich warf mein Ende des Seils über sie und tauchte wieder zurück. Dann verknotete ich die Seile und kletterte wieder aus der Grube. Auf meinem Weg den Abhang hinauf rutschte ich einige male aus, denn ich war ja über und über mit glitschiger, schleimiger Sch... Verzeihung, mit Mist bedeckt. Als ich mich hinter dem Knaben an das Seil stellte musste der kleine kräftig würgen, doch auch er hatte sich unter Kontrolle. Wir fingen an zu ziehen, doch Bessy rührte sich nicht. Es machte den Eindruck, dass die Grube sie nicht gehen lassen wollte. Plötzlich ließ der Knabe los und rannte davon. Wütend und überrascht versuchte ich weiter, Bessy aus dem Tümpel zu ziehen. `Ih-Ahhh´ erklang plötzlich hinter mir. Vor lauter Schreck hätte ich beinah das Seil losgelassen. Es waren der Knabe und mein Ferdinand. "Denken sie, er könnte uns beim ziehen helfen, Sir?" "Kleiner, du bist ein ziemlich cleveres kerlchen", lachte ich. "los, binde Ferdinand an und besorg eine Rübe oder sonst etwas zu futtern, sonst wird er sich wohl nicht bewegen." Naja, eine Rübe war es leider nicht, aber immerhin ein Bündel Gras. Damit lockte er Ferdinand vorwärts während ich weiter am Seil zog. Und tatsächlich, Bessy bewegte sich. Nach einige Anstrengung hatten wir sie aus der Grube frei. Sie dann den Hang hinauf zu ziehen war der leichtere Teil der Aufgabe. Kurz bevor wir sie oben hatten hörten wir ein Rufen:"Kenny, du frecher Kerl, wo steckst du?" Und im nächsten Moment trat ein Mann um die Ecke des Schuppens. "Dad", rief der Knabe und wurde augenblicklich kreideweis im Gesicht. In diesem Moment erschien Bessy über dem Rand des Abhangs. "Was...was war hier los?" Der Vater des Knabens - Kenny, wie ich nun wußte, war sichtlich verwirrt. Immernoch sehr bleich und mit zitternden Knien erklärte Kenny seinem Vater ausführlich was geschehen war. Doch anstatt wütend zu sein nahm der Vater seinen Sohn bei den Schultern uns dagte:"Wenn du mich geholt hättest hätte ich helfen können, doch ich bin froh, dass du es auch ohne meine Hilfe geschafft hast. Du wirst wohl langsam wirklich erwachsen." Kenny platzte fast vor Stolz. Sein Vater bot mir noch an, dass ich auf seinem Hof ein Bad nehmen dürfe. Das nahm ich natürlich gerne an. Und außerdem bekamen Ferdinand und ich ein üppiges Abendessen und ein recht gemütliches Plätzchen zum Übernachten. Es war die beste Nacht seit langem, bis ich unfein geweckt wrde. Kenny rüttelte mich ziemlich rüde wach und rief:"Bessy hat ihr Baby! Kommen sie Mister, das müssen sie sehen!" Ich schleppte mich also von meinem Schlafplatz in den Stall und dort war ein wirklich sehr hübsches Kälbchen. Um es näher zu betrachten lehnte ich mich über die Stallwand und prompt rutschte mir der Hut vom Kopf. Neugierig lief das Kalb zu meinem Hut und...fing an darauf herumzukauen. "Definitiv Bessys Kalb", lachte ich, "mit dem werdet Ihr bestimmt noch einige Abenteuer erleben." Als Dankeschön für unsere Hilfe packte Kennys Mutter ein Kehrpaket für Ferdinand und mich und schenkte mir einen Hut ihres Mannes. So ausgestattet machten wir uns wieder auf den Weg, immer in Richtung eines neuen Abenteuers...