Das Problem ist doch die Verwendung von Begrifflichkeiten die eben eine eindeutige Konnotation besitzen. Wenn ich vom Lebensraum im Osten spreche, dann kann ich natürlich die freien Flächen in Brandenburg damit meinen, aber ich brauche mich absolut nicht beschweren wenn ich bei der Verwendung dieses Begrifflichkeit zu einem Neonazi deklariert werde. Und ich glaube hier besteht Einigkeit darüber, dass der Begriff Lebensraum im Osten eindeutig dem Nationalsozialismus zugeordnet wird.
Das gleiche gilt eben für Worte wie Kümmeltürke, Neger und Zigeuner, dort hat der Prozess angefangen diese Worte aus der gesellschaftlichen Akzeptanzbereich zu verdrängen, eben weil wir uns heute darüber bewusst werden, dass diese Begriffe eben absolut negativ konnotiert sind. Und das passiert wie
@Malboro2 sagt durch die Aufklärung bzw. meine Interpretation: die Aufarbeitung unserer Geschichte.
Niemand wird verboten Begriffe wie Zigeuner zu verwenden, aber das Individuum muss sich der Konsequenz bewusst sein, dass die Verwendung dieser Worte eindeutig dem rechten Spektrum zuzuordnen sind und in dem tummeln sich auch Reichsbürger, Neonazis und Rassissten. Da anders als bei Lebensraum im Osten eben das Merkmal der Ethnie hervorgehoben wird, ist der naheliegenste Wortverwendungszweck Rassismus.
Wir verwenden Begriffe die wir häufig nicht mal verstehen, ein Beispiel: die Brexiteers haben Kampagnen gefahren, dass die EU den Briten ihre Unabhängigkeit genommen hat. Auf Nachfrage konnten Personen nicht definieren was Unabhängigkeit bedeuten würde. Die EU mag Konstruktionsfehler haben, aber die Unabhängigkeit nimmt sie dir nicht, sonst würde der aufkommende Autoritarismus in Ungarn wahrscheinlich unterbunden werden, obwohl das zutiefst gegen die Werte der EU geht.
Ich kann beispielsweise mit Body Positivity nichts anfangen. Die Ernährung ist der Hauptfaktor für Fettleibigkeit und ja im Bereich der Ernährung gibt es Probleme, dass Konzerne daran Geld verdienen uns mit Kohlenhydraten zu mästen. Uns ist häufig nicht bewusst welchen Müll wir in uns reinschaufeln. Ist es eine Reduktion auf das Äußere eine Person als fett zu bezeichnen? Ja. Ist es aber nicht genauso eine Reduktion auf das Äußere jemand als brünett zu bezeichnen? Ja. Bei dem einen sehen wir ein Problem, bei dem anderen nicht. Ich für meinen Teil bin mir nicht sicher ob Fettleibigkeit verharmlost werden sollte, denn es birgt große gesundheitliche Risiken die dann behandelt werden müssen und damit wieder ein gesamtgesellschaftliches Problem werden. Ich verwende stand heute auch noch den Begriff fett um die äußerlichen Merkmale einer Person beschreiben zu können. Wird sich mein Standpunkt dazu irgendwann mal verändern? Vielleicht. Das hängt von den vorgetragenen Argumenten und den Konsequenzen die die Verwendung dieses Wortes mit sich zieht.
Wir sind im Moment als Gesellschaft dabei diese Themen aufzuarbeiten und einen Umgang damit zu finden. Genauso sind wir dabei einen Umgang mit dem generischen Maskulinum zu finden. Und der Ansatz dahinter ist ja nicht mal falsch, wenn wir das Wort Ingenieure lesen, dann denkt der Großteil nach aktueller Studienlage an eine Gruppe von Männern und das obwohl es genug Ingenieurinnen gibt die Teil dieser Gruppe sein könnten. Lesen wir hingegen die Ingenieure und Ingenieurinnen dann entsteht ein anderes Bild vor dem inneren Auge. Natürlich löst dies keines unserer großen Probleme wie den Klimawandel, Hungersnöte oder den Ukrainekrieg, aber müssen wir deswegen die kleinen Ungerechtigkeiten so belassen wie sie sind?