Geschichte 5
XXXX Abenteuer – Teil 1: Ankunft
Alles war düster und verschwommen, und der Boden rollte von links nach rechts, nach vorne und nach hinten, hob und senkte sich, als ob die Stadt auf der Brust eines schlafenden Riesen erbaut wäre. Kate irrte durch die engen Gassen, drängte sich mühsam durch die Menschenmassen, doch sie schien dabei kaum vom Fleck zu kommen. Panische Angst stieg in ihr auf – sie musste ihr Elternhaus erreichen! Sie musste – sonst war es zu spät! Doch Kates Beine wollten nicht mehr gehorchen, wurden wie Blei, und sie fiel zu Boden. Die Menschen kümmerten sich nicht darum, stiegen über sie hinweg, führten murmelnde Gespräche, von denen XXXX kein Wort verstehen konnte, der Boden hob und senkte sich noch immer, und zu alledem kam noch dieser muffige Gestank, der wie ein Nebel über allem lag und in jede Pore von Kates Nase kroch, bis nichts mehr da war als der rollende Boden, die murmelnden Stimmen und der eklige Geruch...
„Land in Sicht!“
Dieser Ruf schreckte die junge Frau aus ihren unruhigen Träumen auf und ließ sie sofort hellwach werden. Land – endlich! So lange schon war sie unterwegs gewesen, zu Fuß, auf dem Karren und zuletzt in diesem stinkenden Schiff, um in der neuen Welt ihr Glück zu suchen, und jetzt schien es mit einem Mal greifbar.
Nachdem ihre Eltern gestorben waren, hatte sie nicht gewusst, wie es weitergehen sollte. Ihr Vater hatte schon Mühe gehabt, die kleine Familie mit dem Notwendigsten zu versorgen, was sollte nun sie, eine unverheiratete junge Frau ohne Besitztümer oder Verwandte, tun um sich zu ernähren?
Als sie von einer Familie hörte, die nach Amerika auswandern wollte, fiel ihr der Entschluss nicht schwer, sich ihnen anzuschließen. Aber XXXX wollte nicht wie sie in einer der Küstenstädte bleiben... sie wollte mehr. Sie würde sich nicht in ihr Schicksal fügen, sondern ihr Leben selbst in die Hand nehmen. Im Wilden Westen, so hatte sie gehört, galten Frauen ebensoviel wie Männer, oder noch mehr, da sie außer Reiten und Schießen noch Socken stopfen und kochen konnten. Dort gab es keine Grenzen und keine gesellschaftlichen Zwänge, sondern ungeahnte Möglichkeiten. Dort wollte sie hin.
Teil 2: Anfänge
„Na, Mädel, bringst du uns das Mittagessen oder wolltest du nur mal den strammen Männern beim Arbeiten zusehen?“ Der Arbeiter grinste schief und schielte zu seinen Kollegen hinüber, die beifällig lachten. XXXX ignorierte ihn und begann, mit kräftigen Hieben eines Buschmessers Zuckerrohr zu schlagen. Einige Arbeiter warfen ihr anerkennende Blicke zu, wenn auch manche Blicke weniger ihrer Schlagkraft als gewissen Teilen ihrer Anatomie galten. Auch das ignorierte XXXX. Nach und nach wandten sich alle wieder ihrer eigenen Arbeit zu, nur der, der sie angesprochen hatte, schien nicht locker lassen zu wollen.
„Na, das nenne ich Einsatz!“ sagte er und pfiff durch die Zähne. „Damit uns die Arbeit leichter fällt, gibt sie uns dabei noch was zu sehen!“ Dabei war er ganz nah an die junge Frau herangetreten und klatschte mit der Hand auf ihren Allerwertesten.
Das hätte er besser nicht tun sollen, denn darauf hatte XXXX gewartet. Mit der Ferse trat sie dem Rüpel auf den Fuß, während sie schon herumfuhr um ihn am Kragen zu packen. Mit einem Ruck zog sie ihn zu sich herunter, um ihm mit der anderen Hand das Buschmesser ans Ohr zu halten.
„Von deiner Sorte hab ich schon einige getroffen,“ fauchte sie, „und erst einer hat mich zweimal belästigt. Dem hab ich die Nase abgebissen. Soll’s bei dir vielleicht ein Ohr sein?“
Dem Mann stieg die Zornesröte ins Gesicht und er versuchte sich freizumachen, doch als er die Klinge an seiner Haut spürte, gab er auf. „Okay, du hast gewonnen,“ stieß er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Kate sah ihn aus schmalen Augen prüfend an, bevor sie ihn freigab. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren widmete sie sich wieder den Zuckerrohrstangen während ihr Angreifer das Weite suchte.
„Man, that girl is crazy,“ kommentierte ein Nachbar. „Komplett durchgeknallt!“ XXXX warf ihm einen scharfen Blick zu, doch der leicht bewundernde Unterton und das offene Lächeln des Mannes ließen sie ihren Zorn vergessen und sie lächelte zurück. Das Grinsen des Mannes wurde breiter. „Do you have a name, missy?“ fragte er. „Wie heißt du?“ „XXXX,“ sagte XXXX, „und du?“ „Ich bin der Falsche Henry,“ stellte er sich vor. XXXX runzelte die Stirn. „Wieso falsch?“ fragte sie. „Well, du kennst doch Henry, den Barkeeper?“ XXXX nickte. „Na, das ist der Richtige Henry, den jeder kennt. Ich heiße auch Henry, aber weil ich meistens nicht gemeint bin, sagen sie: der Falsche.“
Etwas verständnislos schüttelte XXXX den Kopf. „Hier hat wohl jeder so einen Namen?“ meinte sie. „Klar, und nach gerade eben weiß ich auch einen für dich,“ schmunzelte Henry. „War nett, deine Bekanntschaft zu machen, XXXX!“
Teil 3: Hoffnung
Durch die Straßen der Stadt wehte ein kräftiger Wind und wirbelte Staub vom Boden auf. Die meisten Menschen hatten sich in ihre Häuser verzogen, so dass die Stadt wie ausgestorben wirkte. Außer dem eintönigen Brausen und dem Geräusch der Schwingtüren vom Saloon, die im Wind ächzten und klapperten, war nichts zu hören. Eben hatte XXXX noch versucht, Schlagzeilen rufend ihre letzten Zeitungen loszuwerden, doch nur wenige Stadtbewohner hatten ihr Beachtung geschenkt. Nun ließ sie sich erschöpft auf die Kante des hölzernen Bürgersteigs sinken. Von der staubigen Luft und vom lauten Rufen schmerzte ihr Hals und ihre Stimme war ganz heiser geworden.
XXXX seufzte. Sie hatte so vieles schon versucht, hatte auf verschiedenen Farmen bei der Ernte geholfen, Botengänge für den Sheriff oder den Barkeeper erledigt und auch schon ein paar Schlägereien hinter sich gebracht, aber sie fühlte sich noch immer fremd in dieser Gegend. Klar, äußerlich hatte sie sich angepasst: sie trug nun Männerkleidung, wie die meisten Frauen im Westen, hatte gelernt mit einer Waffe umzugehen und in der Wildnis zu überleben. Allerdings war sie auch einsam. Als XXXX hatte sie sich ein wenig Respekt erarbeitet, aber keine Freunde gemacht, und als Neuankömmling hatte sie in den großen Städten nichts mitzureden.
XXXX nahm eine der übriggebliebenen Zeitungen vom Stapel und blätterte sie durch. Die Nachrichten handelten von den großen Städten im Osten, von denen sie nichts wusste, dazwischen ein paar „Wanted“s, die sie schon gesehen hatte... doch bei einer Anzeige blieb ihr Blick hängen, ohne dass sie wusste warum. „Ein kleines Städtchen freut sich auf nette Mitbewohner”, las sie da. Und weiter: „Keine Lust mehr alleine durch die Prärie zu streifen? Dann komm doch nach XXXX!” Unterzeichnet war das ganze von der Bürgermeisterin der neu gegründeten Stadt.
XXXX – der Name ließ XXXX aufhorchen. Der Westen war voll von vielversprechenden Ortsnamen, doch oft stellten sich gerade Orte mit den schönsten Namen als eine gottverlassene Ansammlung von Bruchbuden in der Einöde heraus. Doch irgend etwas an dem Namen ließ XXXX zurückdenken an ihre Kindheit, an den Rosenstrauch im Garten ihrer Großmutter, und plötzlich hatte sie das Gefühl, dass das die Gelegenheit war, auf die sie die ganze Zeit gewartet hatte. Sie musste sie nur mehr beim Schopf ergreifen und sich auf den Weg machen...