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Unterwegs

DeletedUser

Okay .. . ich hab mir auch mal was aus den Fingern gesaugt .. . würde mich natürlich sehr über Rückmeldung freuen ;)



Er war müde. Seit drei Tagen nun war er unterwegs, schweigend und entschlossenen Schrittes, begleitet nur von der unermüdlichen Litanei leise knirschenden Leders und dem rhythmischen Pochen seiner Stiefel auf dem trockenen Boden. Seine Gedanken schweiften ab. Nein, müde war nicht der richtige Ausdruck für das was er empfand. Er war erschöpft. Erschöpft bis in die dunkelsten Ecken seines Bewusstseins.
Heute Nacht würde er schlafen müssen, auch wenn er seinen ausgelaugten Körper am liebsten unerbittlich weiter getrieben hätte. Weiter wohin? Nun, das war die Frage, nicht wahr. Weiter an einen Ort, der Sicherheit versprach.
Ein bitteres Lächeln umspielte seine Mundwinkel und verwandelte sein von Wind und Sonne verwittertes Gesicht in eine Kraterlandschaft der Gleichgültigkeit und Erbarmungslosigkeit. Für ihn würde es lange Zeit keinen sicheren Ort mehr geben. Möglicherweise nie wieder. Aber was brachte es schon, sich darüber den Kopf zu zerbrechen, das Schicksal hatte immer eine Überraschung im Ärmel. Und ob sie erfreulich war oder nicht, das würde sich zu gegebener Zeit von selbst herausstellen.
Seine Füße kamen plötzlich zum Stehen, ohne dass er den klaren Entschluss dazu gefasst hatte. Etwas stimmte nicht. Etwas war nicht in Ordnung und verdammt sollte er sein wenn er wusste, was es war. Adrenalin durchströmte seine Glieder, verwandelte seinen Magen in einen zähen, brennenden Klumpen und er sah sich um, die Fäuste geballt, die Nasenflügel zitternd als wäre er ein wildes Tier, das Witterung aufnahm.
Nichts. Er sah nichts. Doch das hatte er im Grunde auch gar nicht erwartet. Wie sollte man in dieser gottverlassenen Wüste aus verdorrtem Gras – an manchen Stellen reichte es ihm bis über die Hüften – und dunkelbraunem Felsgestein auch Etwas entdecken können, das nicht entdeckt werden wollte? Oder Jemanden?
Er hasste dieses Gras, das sich so entschlossen der Sonne entgegen reckte, obwohl es doch offensichtlich dem Tod geweiht war. Und er hasste diese Felsen. Ihre Farbe erinnerte ihn an Erbrochenes unter dem Tresen einer schäbigen kleinen Bar. Futter für die Hunde. Kotze, nichts weiter.
So mechanisch und unbewusst wie er zum Stillstand gekommen war, schloss er nun die Augen und lauschte. Der Wind trug ihm eine Vielzahl an Informationen zu, doch die meisten waren ihm vertraut, fortwährende Begleiter auf seiner Reise. Seiner Flucht. Er nahm den weit entfernten Schrei eines Raubvogels in sich auf, das lustlose Zirpen einiger Zikaden, das Grollen des Flusses, dessen Lauf er bis zum vorigen Tag noch gefolgt war, und das eintönige, gleichmäßige Wispern der verhassten Gräser. Und da war er, der Missklang in der Melodie, die ihn seit Tagen umgab: Zu seiner Rechten raschelte es verstohlen, nur wenige Meter von ihm entfernt.
Vielleicht ein Tier.
Vielleicht auch nicht.
Seine Hand zuckte an seine Hüfte und befreite den Revolver aus dem Halfter, schnell wie eine zustoßende Schlange. Kalter, beruhigender Stahl in seiner Faust. Der Situation zum Trotz beruhigte sich sein Puls sofort. Ein kleines, kaum merkliches Zögern, dann spannte er den Hahn und richtete den Lauf auf die Stelle, die sein Gehör so unmissverständlich geortet hatte.
„Hör zu. Vielleicht überlebst du es nicht wenn du dich zeigst. Aber wenn du es nicht tust knall ich dich auf der Stelle ab.“ Seine Stimme war nicht viel lauter als ein Knurren. Vergeblich versuchte er, das wogende Gras mit den Augen zu durchdringen.
Würde er es tatsächlich tun? Wer auch immer sich dort versteckte (und er war mittlerweile sicher, dass die Geräusche von einem Menschen stammten; ein wildes Tier wäre vor seiner Stimme laut raschelnd geflüchtet) ließ ihm gründlich Zeit, über diese Frage nachzudenken.
„Komm raus verdammt!“, schnappte er plötzlich. Seine Nervenenden brannten.
Die hohen Halme kamen in Bewegung. Das erste was er von dem Fremden sah waren dünne, feingliedrige Finger, die sich eine Bahn durch das grüne Meer brachen. Direkt darauf sah er in das vorwurfsvoll-ängstliche Gesicht eines Kindes. Der Junge mochte elf sein, zwölf oder schon vierzehn und vor allem – das erkannte der Wanderer sofort – er war unbewaffnet. Dennoch verengte er die Augen und schüttelte bedrohlich den Kopf: „Bleib stehen. Keinen Schritt weiter.“ Der Junge erstarrte in der Bewegung, Angst besiegte Vorwurf. Und er schwieg beharrlich.
Der Wanderer ergriff erneut das Wort. „Woher kommst du? Schickt dich jemand?“ Doch diese Frage war dumm, geradezu idiotisch. Natürlich schickte den Burschen niemand, schließlich konnte unmöglich irgendwer wissen, wo er gerade war und welchen Weg er nehmen würde. Der Junge gab Antwort, und nicht die kleinste Unsicherheit in seiner Stimme wies auf die Angst hin, die er in den dunklen Augen erkennen konnte. Der Wanderer konnte nicht umhin, das beiläufig zu bewundern.
„Ich komme nirgendwoher. Und ich wurde auch nicht geschickt. Ich habe hier Pause gemacht.“ Dann, etwas leiser: „Ich dachte ich könnte vielleicht schlafen“
Das führte den Mann zu einem anderen Gedanken. „Wer ist bei dir, und wo ist er?“ Es war undenkbar, dass ein Kind hier draußen, mitten im Nirgendwo, alleine umherstreifte.
Der Junge hob und senkte die Schultern und machte eine unbestimmte, verlorene Handbewegung. „Es ist niemand bei mir. Ich wollte nur schlafen.“
Der Wanderer betrachtete ihn ratlos.
Da war sie also, die Überraschung, die das Schicksal ihm aus dem Ärmel geschüttelt hatte. Zum Guten oder zum Bösen.
 
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Jigelp

Pubquiz-Champion
Ehemaliges Teammitglied
sehr schön geschrieben. bin gespannt, was es mit dem Jungen, dem wanderer und so auf sich hat und was noch passiert:)
 

DeletedUser

Natürlich hab ich den dunklen Turm gelesen :D
Obwohl "verschlungen" ehrlicher wär ;)
Ich hab aber nicht vor, mich an King zu halten, obwohl es mir den Einstieg natürlich sehr erleichtert hat :)
 

DeletedUser

Ja, das dacht ich mir! Ich musste sofort an den Jake denken. Speziell an die Szene in Schwarz, wo Roland ihn in der Wüste an der verlassenen Station aufgabelt. Und "Verschlingen" ist genau das richtige Wort! :D
 

DeletedUser

Na gut, weiter im Text .. .



Sie hatten sich gesetzt, es war eh längst Zeit für eine Pause, fand er. Pedro – denn das war der Name des Jungen, wenn man ihm Glauben schenken konnte – hatte sich mit ausreichendem Sicherheitsabstand neben ihm niedergelassen und ließ das Stück altbackenen Brotes, das der Wanderer in den Händen hielt, nicht mehr aus den Augen.
Dieser verzog die Lippen zu einem hässlichen, spöttischen Grinsen und warf ihm einen Teil seines Abendessens zu. „Hunger, was?“ Ein Nicken. Weiße, ebenmäßige Zähne gruben sich in die harte Kruste, kämpften, kauten, verschlangen die Nahrung als ginge es ums nackte Überleben. Was womöglich der Fall war, überlegte der Mann träge.
Dann blickte Pedro wieder auf, das schwarze Haar hing ihm wirr in die Stirn, und zum ersten Mal blitzte etwas wie Neugier in seinem Gesicht auf. Er musterte den großgewachsenen, finster dreinsehenden Fremden vor ihm.
„Und wie ist dein Name?“, wollte er schließlich wissen.
„Nenn mich Bill.“
Ein belustigtes Glitzern erhielt Einzug in Pedros schattenfarbene Augen. Zigeuneraugen, dachte der Wanderer missmutig, scheiß Kuhblick.
„Bill“, wiederholte der Junge langsam. „Alles klar.“ Dann zuckte er mit den Schultern. „Naja, ein Name ist so gut wie jeder andere. Immerhin hast du dich nicht Josephine genannt, das macht dich gleich sympathischer.“
Bill bedachte ihn mit einem Stirnrunzeln. „Erzähl mir lieber was von dir, Pedro von nirgendwo, Begleiter von niemandem.“
Auf einen Schlag wich die Belustigung aus Pedros Gesicht. Seine Schultern sackten herunter, die ganze schmächtige Gestalt wirkte plötzlich wie eine Puppe, der man die Füllung entrissen hatte. „Da gibt es nicht viel zu erzählen.“, murmelte er den verdorrten Halmen zwischen seinen Füßen zu. „Ich war Fischen. Als ich zurück kam waren sie schon tot. Sie lagen im Hof.“ Dann schwieg er.
„Sie?“
„Mein Vater. Meine Mutter. Erschossen. Und die Männer, sie waren noch da. Sie haben die Pferde mit unseren Vorräten beladen. Unsere Pferde. Hurensöhne!“, spie er. Doch es klang eher wie ein Flehen denn ein Fluchen.
„Und du bist abgehauen.“
Voller Hass blickte der Bengel ihn an,. „Was blieb mir anderes übrig?“
Der Wanderer nickte zerstreut. Etwas anderes interessierte ihn viel mehr. „Was waren das für Männer? Wie sahen sie aus?“ Er beugte sich angespannt vor.
„Wie alle anderen dreckigen Banditen auch.“
„Nichts Auffälliges? Kein Erkennungsmerkmal?“
Pedro presste die Kiefer aufeinander und zog die Oberlippe hoch, so dass er aussah wie ein tollwütiger Hund, sagte aber nichts. Bill wartete geduldig. In der Ferne ließ wieder der unsichtbare Raubvogel seinen gellenden Schrei über die Landschaft unter ihm rollen. Dann, endlich: „Ein rotes Halstuch. Mit einer weißen Faust.“ Er ballte die eigene.
Mit einem Schlag war die Müdigkeit, die dem Wanderer auf den Lidern gelastet hatte wie ein Fluch, wie weggeblasen. Rotes Halstuch, weiße Faust. War das möglich? Er vermutete, dass es das tatsächlich war. „Wann?“, bellte er, „Wann war das?“ Der Junge reckte zwei Finger in die Höhe. „Vor zwei Tagen. Kennst du sie?“ Er starrte Bill mit unverhohlenem Misstrauen an.
„Vielleicht.“, antwortete dieser scheinbar gelassen. Innerlich aber war er aufgewühlt. Vor zwei Tagen erst. Auch wenn sie Pferde bei sich hatten – sie waren bestimmt noch zu finden. In irgendeiner kleinen Stadt, irgendeinem versifften Saloon, in den Armen irgendwelcher Nutten. Und er würde sie finden, er war sich sicher. Los Forajidos, die Gesetzlosen mit der unbarmherzigen Faust um den Hals. Würden sie ihn wieder erkennen? Natürlich würden sie das.
Und dann?
„Dann wird man sehen, ob alte Freunde sich bezahlt machen oder sie einem in den Rücken fallen wie der Rest dieser Schweinehunde.“, knurrte er.
 
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DeletedUser

Fortsetzung^^

Mit ruhigen Bewegungen verschnürte er die Satteltaschen wieder, die er zu einem behelfsmäßigen Rucksack umfunktioniert hatte. Es war Abend, die Sonne verkündete ihr baldiges Untergehen mit einem Feuerwerk aus Rot- und Goldtönen, über das sich langsam aber sicher ein dunkles Blau zu schieben begann. Dennoch würde er seinem ursprünglichen Plan zum Trotz nicht in dieser Einöde übernachten. Zumindest nicht auf diesem speziellen Fleckchen Einöde. Sicher würde sein Körper den lange überfälligen Schlaf noch in dieser Nacht fordern, und den würde er ihm auch gewähren, zumindest drei oder vier Stunden. Aber noch nicht. Pedros Nachricht hatte ihm neuen Antrieb verliehen, ihm einen kleinen Stoß in den Rücken gegeben, der ihn noch ein paar Meilen weitertaumeln lassen würde. „Aber … ich bin müde…“, riss eine kleinlaute Stimme den Wanderer aus seinen Überlegungen. Er schnaubte und hielt den Blick auf seine Tasche gerichtet, obwohl er längst alles sicher verstaut hatte. „Ja dann geh schlafen. Wo ist das Problem?“
Das unbehagliche Schulterzucken der kleinen Gestalt neben ihm erahnte er mehr, als dass er es sah. „Naja es sieht so aus als wolltest du weiter gehen, statt zu rasten.“
Jetzt blickte Bill auf, und was der Junge in seinen Augen las, ließ ihn fröstelnd zusammenkauern. Es war, als schaute man in einen nachtkalten, tiefen See, unter dessen Oberfläche etwas lauerte. Etwas mit Krallen. Etwas mit scharfen Zähnen. Oder einer Waffe.
„Ja“, bestätigte Bill ausdruckslos, „ich gehe. Aber nicht mit dir.“
Doch so leicht ließ Pedro sich nicht abspeisen – er war zäher als es den Anschein machte. Und er wollte um keinen Preis in dieser Gegend alleine bleiben, in der die Kojoten des Nachts um die Wette heulten und der Wind ihm seine dunklen Geheimnisse zuflüsterte. „Du suchst diese Männer, nicht? Die, die meine Eltern –„ er brach ab. „Die mit den Halstüchern. Du willst ihnen hinterher.“
Der Wanderer gab keine Antwort, ließ nicht einmal erkennen, ob er Pedros Worte überhaupt wahrgenommen hatte. Stattdessen stand er auf, zog sich die Satteltaschen über und prüfte die dazugehörigen Stricke, die sich über seiner Brust kreuzten und die er mit einigen Lederfetzen umwickelt hatte, damit sie ihm nicht ins Fleisch schnitten.
Pedro sprang alarmiert auf und plapperte hastig weiter: „Miner’s Creek! Das ist die Stadt, die unserer Farm am nächsten ist. Wenn sie wo Halt gemacht haben, dann dort! Vielleicht sind sie sogar noch da, nicht wahr? Ich kann dich hinbringen wenn du magst, ich kenne Sheriff Clark persönlich, er wird uns helfen…“ Dies brachte ihm ein schiefes Grinsen und einen amüsierten Blick ein, aber der Junge nahm es kaum wahr. Er sah Bill bittend an. „Nimm mich mit.“
Dieser seufzte und nickte schließlich. „In Ordnung. Solange du mich nicht aufhältst.“
Und ohne Umschweife setzte er sich in Bewegung, gleichmäßig und weit ausgreifend führte sein Schritt ihn nach Südwesten, der Richtung, die Pedro ihm mit einem Fingerzeig vorgegeben hatte und er machte keine Anstalten, sein Tempo ein wenig dem des Jungen anzugleichen. Dieser trabte ohne Protest neben ihm her und wagte erst nach einiger Zeit einen Vorstoß. „Als ich so Dinger das letzte Mal gesehen hab hingen sie links und rechts über einem Pferderücken. Wo ist das Pferd denn abgeblieben, dem die hier gehören?“, meinte er ein wenig spöttisch mit einer Geste, die das gesamte rucksackähnliche Gebilde einschloss, das Bill mit stoischer Gelassenheit mit sich herum schleppte.
Dieser starrte ihn ungnädig von der Seite an. „Gestohlen.“, brummte er. Die zwei darauf folgenden Stunden hindurch schwieg er beharrlich.
 
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DeletedUser

Fortsetzung

Die Rast war kurz, der Schlaf tief und durchwachsen mit unliebsamen Träumen und die Nacht noch nicht vorbei, als sie bereits wieder aufbrachen. Pedros Füße machten sich mit einem stetigen, dumpfen Pochen auf schmerzhafte Weise bemerkbar, aber er beklagte sich nicht. Inzwischen hatte eine Art duldender Gleichgültigkeit ihren schützenden Mantel über ihn gebreitet – er dachte kaum, sprach nichts, setzte einfach einen Fuß vor den anderen. Ein weiterer Schritt. Und noch einer. Und noch einer.
Es war so dunkel, dass sie praktisch nichts sahen, der Himmel war zwar sternenklar, aber der Mond war nur eine dünne, gemächlich wieder voller werdende Sichel, so dass sie mehr stolperten denn gingen. Immerhin schien der Wanderer immer genau zu wissen, in welcher Richtung der Südwesten zu finden war – ohne auch nur einmal zu zögern behielt er den Kurs bei, den Pedro angegeben hatte, und er schien nicht die Absicht zu haben, sich von irgendetwas oder irgendwem von seinem Ziel fernhalten zu lassen. Pedros Gedanken, die keinem klaren Fluss mehr folgten, befassten sich kurz mit der Frage, ob es irgendeine Naturgewalt geben mochte, die imstande war, den dunkel vor ihm aufragenden Mann aufzuhalten. Ihm fiel keine ein. Dann ebbte der Gedankenstrom für eine Weile ab, nur um plötzlich die Form eines duftenden, noch blutigen Steaks anzunehmen. Er würde töten für ein Steak. Oder auch nur ein weiteres trockenes Stück Brot. Wie um das zu bestätigen, begann sein Magen zu knurren.
Doch er ahnte bereits, dass sie nicht mehr halten würden, bis sie Miner’s Creek erreicht hatte. Er versuchte abzuschätzen, wie weit sie voran gekommen waren und zog den Schluss, dass sie mit ein wenig Glück schon am frühen Mittag in der Stadt ankommen konnten. Sofern er sich nicht irrte. Er seufzte leise.
Dann schlug er der Länge nach hin. Er hatte den großen Stein vor seinen Füßen übersehen – natürlich hatte er das, wie hätte er ihn in dieser beschissenen Dunkelheit auch sehen können? Der Aufprall betäubte ihn kurz und er blieb benommen liegen. Irgendetwas Scharfkantiges hatte sich in seine Hüfte gebohrt und ein perfektes, scharfkantiges Ebenbild aus Schmerz hinterlassen. Pedro unterdrückte einen Schrei und rollte sich langsam auf die Seite, machte aber keine Anstalten aufzustehen. Die Erschöpfung warf sich förmlich auf ihn und drückte ihn weiter zu Boden. Er hätte auf der Stelle einschlafen können. Nicht einmal das Stechen in seiner Hüfte war von Bedeutung; nur ein weiteres Ärgernis am Rande seines Bewusstseins. Ein ebensolches Ärgernis wie Bills Stimme über ihm. „Bist du verletzt?“
Der Junge murmelte etwas Verneinendes.
„Dann steh auf.“
„Nur bisschen liegen“, nuschelte Pedro. Er schloss die Augen, riss sie aber sofort wieder auf, als Bills Hand mit seinem Wangenknochen kollidierte. Ein überraschtes Keuchen entrang sich seiner Kehle.
„Steh auf oder ich lass dich hier liegen. Vielleicht machen mir die Rothäute einen guten Preis für deinen Skalp.“ Die Stimme des Wanderers klang wie das Knurren eines hungrigen Wolfes.
Hungrig.
„Steak.“, argumentierte Pedro zusammenhanglos. „Steak.“ Doch er rappelte sich mühsam auf. Zu dem Schmerz in der Hüfte hatte sich jetzt ein Brennen in seinem Gesicht gesellt und er verfluchte Bill dafür. Von Anfang an hatte er Zweifel gehabt, ob es richtig gewesen war, sich seiner Gesellschaft anzuvertrauen, und diese Zweifel waren mit einem Schlag um ein gutes Stück gewachsen.
 
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DeletedUser

^^

das betrachte ich jetzt eher als kompliment denn als kritik *beschließ
 

DeletedUser

Fortsetzung der Fortsetzung

Sie erreichten das Städtchen erst, als die Sonne bereits fast im Zenit stand. Trotz seiner eisernen Bemühungen, sich seine Erschöpfung nicht anmerken zu lassen, wusste Pedro, dass die verspätete Ankunft allein seine Schuld war. Er hatte sich noch nie so erbärmlich gefühlt. Die glühende Hitze zerrte an den Rändern seines Verstandes und ihm war übel vor Anstrengung. In den vergangenen zwei Stunden war er sich nur zu oft sicher gewesen, dass Bill ihn einfach zurücklassen und seinen Weg ohne ihn fortsetzen würde. Doch dieser ließ seinem Ärger über das schleppende Tempo nur mit einem gelegentlichen missbilligenden Blick lauf und passte sich schweigend an. Der Wanderer hegte dem Jungen gegenüber kein Gefühl der Verantwortung, und schon gar keines der Zuneigung, aber selbst er war nicht ohne Herz geboren, und vielleicht würde der Bengel ihm ja noch nützlich sein. Er würde Los Forajidos schon früh genug einholen.
Miner’s Creek schien auf dem besten Wege, zu einer handfesten Stadt zu werden. Auf der Straße pulsierte das Leben. Maultiere, Pferde und ein paar Ochsen zogen für ihre Besitzer alle Arten von Kutschen und Karren oder trugen ihre Lasten auf den breiten Rücken; das Lachen einiger junger Frauen wurde vom Wind durch den Staub getragen und weckte Erinnerungen und nicht weit entfernt (played Sheb the piano player his crooked tune.. . äh nein .. .)hörte man Stimmengewirr aus einem Gebäude. Zweifellos einem Saloon. Bill hatte viele solcher Städte gesehen, manche kleiner, manche größer wie diese hier, aber die Männer im Saloon schienen immer dieselben zu bleiben. Dieselben Stimmen, dasselbe Grölen, es war unverkennbar.
Genau wie er die misstrauischen Blicke schon tausendmal gesehen hatte, die ihnen begegneten. Er hatte kein Pferd mehr, dafür einen Jungen zur Gesellschaft, und seine Waffe war unter dem Mantel verborgen – und dennoch schien es, als spürten die Einwohner die potenzielle Gefahr, die dieser Mann verströmte wie einen besonderen Duft.
Auch das war ihm nicht neu, er konnte nie verbergen wer er war oder was er war, zumindest nicht für lange. Was bedeutete, dass er schnell handeln musste, er hatte keine Lust, sich von einem Lynchmob am nächsten Baum aufknüpfen zu lassen. Oder von Pedros Freund, Sheriff Clark, am Galgen.
Er lenkte seine Schritte auf das Gebäude zu, aus dem die Stimmen drangen. Der Saloon, für die Bewohner jedes Ortes fast so wichtig wie die obligatorische Kirche, war kaum mehr als ein besserer Schuppen. Der Aufschwung, in dem sich die Stadt befand, schien das Holzhaus noch nicht erreicht zu haben. Pedro folgte Bill mit merklichem Zögern durch die typischen, schwingenden Flügeltüren und blinzelte in dem unvermuteten Dämmerlicht, das ihn hier empfing. Es war, als würde die Sonne ihren Strahlen den Zutritt verweigern, und auch die Petroleumleuchte an der Decke änderte an dem Zwielicht nicht viel. Der Junge fühlte sich unwohl – zu viele fremde Gesichter starrten ihm und seinem Begleiter ausdruckslos entgegen, und ein Gefühl der Enge machte sich in seiner Brust breit. Er spähte verstohlen in jede Richtung, musterte die Männer am Tresen und an den Tischen, doch keiner von ihnen kam ihm bekannt vor. Und keiner von ihnen trug das gefürchtete Halstuch mit der geballten Faust. Etwas erleichtert atmete Pedro aus. Er wusste nicht, was er hätte tun sollen, wäre er hier auf die Schweine getroffen, die ihm den Rest seiner Kindheit genommen hatten. Ein wenig sicherer ging er mit Bill auf den Barkeeper hinter dem Tresen zu.
„Brot, Fleisch und Whisky“, verlangte Bill, ohne sich mit so etwas Unnötigem wie einer Begrüßung aufzuhalten. Der Barkeeper machte keine Anstalten, der Aufforderung Folge zu leisten.
„Könnt ihr zahlen? Siehst nicht so aus.“ Die Zigarre im Mund des fettleibigen Mannes hüpfte beim Sprechen auf und ab.
„Ich kann zahlen.“
Der Wirt grinste und offenbarte eine Reihe schiefer, schwarzer Zähne. „Dann mach das mal, compadre. Zeig mir was du hast, und ich sage dir, was du dafür kriegst.“
„Ich kann zahlen.“, wiederholte Bill. Seine Stimme war gefährlich leise geworden. Er ließ den Barkeeper nicht aus den Augen. Plötzlich lag eine fast greifbare Spannung in der Luft. Fünfzehn Augenpaare waren auf sie gerichtet, bereit, einzugreifen falls der Fremde den Fehler begehen sollte, in ihrer Stadt Ärger zu suchen.
Doch das war nicht nötig, der Ärger fand sie.
„Seine Rechnung geht auf mich.“
Pedro drehte sich erschrocken um. Er konnte sich nicht erinnern, diesen Kerl vorhin gesehen zu haben, doch nun war er da, leise wie ein Puma hatte er sich den beiden genähert. Auch der Rest seiner Erscheinung erinnerte mehr an eine Raubkatze denn an einen Menschen. Er hatte blondes, schulterlanges Haar, schräg stehende blau-grüne Augen und lehnte inzwischen lässig am Tresen. An den Füßen trug er Mokassins, wie der Junge erstaunt feststellte.
Und um den Hals ein rotes Tuch. Die weiße Faust darauf schien sich ohne Umwege in Pedros Magen zu graben.
Die Welt verlor an Farbe und Form, er keuchte, verschluckte sich, hustete krampfhaft.
Der Mann warf ihm kurz einen neugierigen Blick zu und wandte sich dann nachdenklich an Bill, der nicht im Mindesten überrascht aussah: „Howdy, Cowboy. Wir haben uns zu lange nicht gesehen.“
Bill nickte ihm zu. „Lucio.“
Der Barkeeper überschlug sich in der Zwischenzeit förmlich, um ihnen ihre Bestellung zuzubereiten. Eine Zwischenzeit, die Pedro wie eine Ewigkeit vor kam. Noch dazu eine Ewigkeit, in der er keinen Ausgang aus der Hölle fand, die seine Gedanken bildeten.
 
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DeletedUser

Also wenn ich grad den ersten Teil zuerst auf Englisch gelesen hätte, dann hätte ich definitiv nicht allzu viel verstanden! Vor allem, da die meisten Begriffe usw. erst in späteren Teilen wirklich erklärt werden und es diese enormen Verknüpfungen innerhalb der Bücher gibt. Hut ab! :)
Und jetzt klemm dich an die Tasten und tipp weiter... :p
 

DeletedUser

Fortsetzung

So .. . nachdem meine Tasta kaputt war und ich nen Hänger hatte .. . mal wieder ne Fortsetzung ;)




Lucio lümmelte sich auf einem der Barhocker, die sehnigen Beine übereinander geschlagen. Er musterte Bill unter den hellen Wimpern hervor eingehend.
„Und, was hast du so getrieben, Cowboy?“
Bill zuckte mit den Schultern und machte eine unbestimmte Geste. „Ich war hier und da. Nachdem wir uns getrennt hatten wollte ich es etwas ruhiger angehen lassen.“
Das schien el Forajido zu belustigen. „Ruhiger angehen lassen, soso.“ Seine Zähne blitzten auf. „Das ist gut, denn man ist hier sehr in Aufregung wegen einem Doppelmord in Hellgate. Irgendein Verrückter hat dort scheinbar den zuständigen Sheriff und dessen Frau erschossen.“
Der Wanderer fuhr nicht zusammen, aber Pedro sah, wie er sich anspannte. „Genug davon!“, zischte er leise.
Das Raubtierlächeln wurde breiter, aber Lucio gehorchte und wechselte das Thema. „Cuarto und Santiago müssten bald zurück kommen, sie bringen gerade ein paar der Güter an ihren Platz, die wir bei unserem letzten Ausflug… gefunden haben.“ Er nickte wie zufällig mit dem Kopf in Pedros Richtung. „Und wer ist dein kleiner Freund hier?“
Pedro war wie versteinert. Er fühlte sich unfähig, sich zu bewegen oder etwas zu sagen, sondern starrte el Forajido so lange mit leerem Blick an, bis dieser schließlich stirnrunzelnd die Augen abwendete. „Ist er zurückgeblieben oder so?“, fragte er Bill.
„Nein. Nur müde. Und hungrig.“ Bill schob dem Jungen demonstrativ und fast schon drohend die Schüssel mit dem Maisbrot vor die Nase. Als dieser nicht reagierte, stieß er ihn unsanft in die Seite. Sein Gesichtsausdruck befahl ihm unmissverständlich, sich gefälligst zusammen zu reißen. Ungelenk klammerte Pedro sich an ein Stück Brot und gab sich größte Mühe, nicht daran zu ersticken. Mit mäßigem Erfolg.
Er musste weg. Raus hier, so schnell wie möglich. Sein Puls raste, sein Atem ging stoßweise und ein Zittern breitete sich in seinem gesamten Körper aus, das unkontrollierbar stärker wurde. Er kletterte von seinem Hocker und stürzte fast. Lucio blickte ihn milde interessiert an. „Wohin willst du denn, einsamer Reiter?“
Pedro verzog das Gesicht, als hätte der Mann ihn geschlagen. Hass überflutete sein Denken. „Meine Mutter“, nuschelte er. Dann, lauter: „Ihr habt sie umgebracht!“
Lucio starrte den Jungen einige Sekunden fassungslos an, bevor er sich Bill zuwandte. „Du hast diese dreckige kleine Kröte mitgenommen? Hier her? Zu uns? Wo ist dein Verstand geblieben, Mann?!“ Dann packte er Pedro unsanft am Arm und versuchte, ihn mit sich zu zerren. Als der Junge sich wehrte, versetzte er ihm einen Stoß zwischen die Schulterblätter, der diesen vorwärts taumeln ließ.
Der Wanderer war sich den vielen Augen, die diese Szene verfolgten, nur allzu bewusst. Es traute sich keiner dieser Viehtreiber, einzugreifen – aber wie lange noch? Der Wirt hatte seinen erbärmlichen fetten Hintern gegen ein Fass gepresst und schien angestrengt zu überlegen, wie er die Situation einordnen sollte.
Inzwischen befasste sich Bill wieder mit dem Jungen. Er hatte seine Finger schmerzhaft fest um dessen Handgelenke geschlossen und sprach langsam und deutlich mit ihm, als wäre er ein kleines Kind. Seine Stimme war laut genug, dass Jeder im Raum hören konnte, was er sagte. „Wie oft habe ich dir schon gesagt, dass du dich benehmen sollst? Du kannst doch nicht immer einen solchen Aufstand machen, stell dir vor was deine arme Mutter dazu sagen würde wenn sie noch am Leben wäre?“ Dann lächelte er entschuldigend in die Runde, wobei sein Mund mit Fangzähnen gespickt zu sein schien. Der Wanderer musste seinerseits ein Lächeln unterdrücken; der Anblick war einfach zu fremdartig.
„Entschuldigt den Krawall, meine Herren. Der arme Bursche ist vor einiger Zeit von Strauchdieben überfallen worden. Ganz üble Kerle, wirklich wahr. Er hat es überlebt, sein Verstand hat es jedoch leider weniger gut überstanden. Nehmt es ihm nicht übel, er trauert sehr über den Verlust seiner geliebten Eltern.“ Dabei tätschelte er Pedro den Kopf und legte ihm scheinbar sanft die Hand ins Genick. Bill wusste aus Erfahrung, welche Kraft hinter diesem Griff steckte.
Wie eine Puppe stand der Junge da, er schien unfähig, die Situation zu begreifen. Gut, dachte Bill erleichtert, sehr gut. Zwar war es unmöglich, den unverhohlenen Zweifel in den vielen Gesichtern vor ihnen zu übersehen, aber wenn keiner von den compadres dort an den Tischen Pedro persönlich kannte, würden sie nicht eingreifen. Unmerklich atmete der Wanderer aus. Er wechselte einen raschen Blick mit Lucio, den dieser mit einem Nicken beantwortete. Ohne seine Hände von dem Jungen zu nehmen machte er einen Schritt nach vorn und schleppte diesen praktisch mit sich. „Komm.“, zischte er ihm ins Ohr, „Wir gehen ein bisschen nach oben und unterhalten uns.“
 
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