Nüchtern durch die Weihnachtszeit
Sheriff John Fitzburn leerte sein Glas, stellte es zurück auf den kleinen Ecktisch, an dem er saß und schloss die Augen. Über die Kakophonie aus gequälten Klängen des hoffnungslos verstimmten Pianos, Rufen der sich wütend der Falschspielerei verdächtigenden Kartenspieler und gläsernem Klirren vom Tresen hallten die Worte des Doktors in seinem Kopf nach: „Wenn sie an einer ordentlichen Bleivergiftung sterben wollen und nicht am Fusel, Sheriff, müssen Sie mit dem Trinken aufhören. Unverzüglich!“
John hätte darauf nicht viel gegeben, doch der Doktor kannte seine Pappenheimer und hatte Henry Walker, den vermaledeiten örtlichen Alkoholmonopolisten und Barkeeper, in dessen heruntergekommenem Saloon er nun saß, mit einbezogen. In großer Sorge um seine verlässlichste Einkommensquelle hatte Henry sofort zugestimmt, dem Sheriff keinen Tropfen Alkohol mehr auszuschenken.
Johns Gedanken kehrten zurück zu seinem leeren Glas, er öffnete die Augen und sah zum Tresen. Natürlich sah ihn Henry mit seinem Dauergrinsen unter dem Walrossbart bereits erwartungsfroh an und füllte ihm ein neues Glas. John widersprach nicht. Er stand auf, holte es wortlos ab und kehrte zu seinem Platz zurück. Dort versuchte er sich nicht zum ersten Mal an seinen bewährten Ritualen – Riechen, Schwenken, Nippen – um sich selbst so etwas wie Genuss vorzugaukeln. Doch die Flüssigkeit roch nicht wie Whiskey, sie war weitaus weniger edel in der Farbe und vermochte nicht, das Licht so vollkommen zu spiegeln, aufzunehmen, einzuatmen wie sein heißgeliebtes Lebenselixier und sie schmeckte auch nicht annähernd so herrlich. Nur der Preis war derselbe. John schloss die Augen, leerte das Glas, stellte es zurück auf den Tisch und verließ den Saloon, ohne ein Wort zu sagen. Draußen war es kalt, doch die frische Nachtluft konnte ihn nicht mehr beleben und aufwecken wie früher, war er doch schon nüchtern.
Der nächste Tag verging ohne Bleivergiftung und leider auch, ohne dass der Sheriff irgendeinen Kleinganoven festnehmen konnte. Er hatte sich vorgenommen, demjenigen, der ihn guten Fusel brennen konnte, jegliche Strafe zu erlassen. Auf dem Weg zu Henrys Loch begegnete ihm Doktor Motician, den er wie üblich mit einem bösen Blick bedachte und ansonsten ignorierte. Als er von Henry das erste Glas des Abends in Empfang nahm, fragte er endlich: „Was zur Hölle ist das eigentlich für ein Gebräu?“
Der Barkeeper erwiderte grinsend: „Ich habe keine Ahnung, weiß nur, dass es alkoholfrei ist. Kannst du auch deinen Kindern kaufen.“
Gereizt tippte John auf den glänzenden Stern auf seiner Brust und fuhr sein Gegenüber an: „Woher bekommst du es? Zahlst du alle Steuern und Abgaben? Kannst du für die gesamte Lieferkette nachweisen, dass weder Sklaven noch Kinder eingesetzt wurden?“
Henry schaute ihn kurz perplex an, dann lachte er schallend los: „Es bekommt dir offenbar ausgezeichnet, also frag besser nicht zu genau nach, was Heisenzwerg da alles reintut. Ich weiß es jedenfalls nicht.“
Dann schob er ihm mit Nachdruck das Glas über den Tresen: „Geht auf's Haus.“
So einfach wollte John sich nicht abspeisen lassen und hakte nach: „Heisenzwerg also? Wird der nicht von der GEZ, der Getränkeeinsatzzentrale, gesucht?“
Henry strahlte ihn an: „Heisenzwerg? Nein, niemals. Die von der GEZ suchen den Meisterquacksalber, glaube ich. Heisenzwerg hat alle Genehmigungen für die Herstellung alkoholfreier Getränke und er setzt sogar nur seine eigene Familie für die Herstellung ein, total vertrauenswürdig der Kerl.“
Der Barkeeper senkte seine Stimme und zwinkerte John gespielt verschwörerisch zu: „Und außerdem könnte er noch eine Flasche wirklich sehr guten Whiskeys gefunden haben, die er als Abstinenzler nicht mehr selbst genießen kann und zu Weihnachten an seinen treuesten Kunden verschenken möchte. Ich würde sie natürlich dir überlassen, schließlich bin ich nur der Zwischenhändler.“
„Du machst wahrscheinlich ein Riesengeschäft damit, mir Whiskeypreise für Zuckerwasser abzunehmen“, dachte John verärgert, bevor das Gesagte vollständig seine Synapsen erreichte. Dann drückte ihm Henry schon ein zweites Glas des braunen Gesöffs in die Hand und widmete sich einem anderen Gast. John trollte sich und begann zu überlegen, wann Weihnachten war. Trug Henry schon seine hässliche Zipfelmütze? Nein. Spielte der Pianist schon die immergleichen Kitschlieder? Ja, aber nicht die weihnachtlichen. Hatte Maria schon versucht, ihm ein Geweih aufzusetzen und ihn wegen seiner roten Nase Rudolf genannt? Nein, aber vermutlich hatte er auch keine rote Nase mehr. Jetzt sorgte Heisenzwergs Gesöff also auch noch dafür, dass Maria ihn überhaupt nicht mehr beachtete! Jedenfalls war wohl noch etwas Zeit bis Weihnachten und die würde er nutzen, um seinen Anspruch auf die Flasche wirklich sehr guten Whiskeys zu unterstreichen. John sah, wie Maria auf der Bühne zu einem weiteren Tanz ansetzte, nahm sein Glas in die Hand, schloss die Augen, leerte es und seufzte. Dann begann Maria zu singen, er öffnete die Augen und ging durch den leise rieselnden Schnee nach Hause.
Am nächsten Tag sah er den Wandkalender in seinem Büro und untersuchte die Einschusslöcher. November war aufgeschlagen und jedes Datum war feinsäuberlich durchlöchert. Er konnte durch die Löcher auf die Straße sehen und verstand immerhin, woher immer dieser störende Luftzug kam. Leider würde ihm der durchlöcherte Kalender nicht weiterhelfen und John beschloss, den Kunstschützen, den er im Sommer als Deputy beschäftigt hatte, zu verhaften. Oder dessen Witwe, bei nächster Gelegenheit.
Nun war es an der Zeit, seiner Pflicht als oberster Bauaufseher nachzukommen, bevor er Feierabend machen konnte. John ging durch die Straßen zur kleinen Kirche und staunte einmal mehr, dass dort immer noch gebaut wurde. Von außen sah alles in Ordnung aus und so wollte der Sheriff gerade die Bauarbeiten am Saloon untersuchen gehen, als sich die Kirchentür öffnete und Waupee hinaustrat. Er hatte schon vor Jahren aufgehört, den Kerl verstehen zu wollen und würde jetzt nicht damit anfangen. Fragen konnte er dennoch: „Howdy Waupee, was bauen die immer noch da rum?“
„Howdy Sheriff, ich verstehe es nicht wirklich, zugegeben. Ich glaube, dass Dinge, die ihr euch von eurem großen Geist wünscht, so eher passieren sollen. Klingt ziemlich praktisch, wenn du mich fragst.“
„Großer Geist, Gott – meine Götter sind meine Revolver. Und Whiskey“, dachte John sich. Bevor er Waupee nach Weihnachten fragen konnte, hatte der sich schon eine Pfeife angezündet und würde für die nächsten Stunden nicht ansprechbar sein. Der Sheriff war wirklich nie ein Mann des Glaubens gewesen, doch etwas an Waupees Antwort hatte ihn neugierig gemacht. Dinge, die man sich wünscht, passieren so eher. Sicher würde es nicht schaden, reinzugehen und auf eine gute, die beste, Platzierung unter Heisenzwergs Stammkunden zu hoffen.
Hinter der kleinen Tür der kleinen Kirche hatte er einen kleinen Kirchenraum – ein paar Bänke, ein Altar – erwartet, doch ihn erwartete eine riesige Halle, die auf gewaltigen steinernen Säulen ruhte und so hoch war, dass es von der Decke schneite. Die fleißigen Arbeiter flogen mit Engelsflügeln umher und transportierten immer mehr Material in die Höhe und Schmuck zu einem noch nackten Weihnachtsbaum neben dem Altar. John bekreuzigte sich, schwor sich, nie wieder nüchtern in die Kirche zu gehen und eilte schnurstracks zum Saloon.
Dort angekommen nahm er das erste Glas von Heisenzwergs Limonade entgegen, registrierte erstaunt ein Gefühl der Erleichterung und Wärme und setzte sich auf seinen Stammplatz. Gerade, als er das Glas mit geschlossenen Augen ansetzen wollte, wurde es laut – also anders laut – um ihn herum. Diese Geräusche würde er immer erkennen: Ein Bierglas, das an einem Schädel zerschellt, ein Faustschlag, der ein Gesicht trifft – er wurde gebraucht! Sofort sondierte der Sheriff die Lage: Das Klavier? Spielte noch. Der Spiegel hinter der Bar? Hing noch. Die Schwingtür auf die Straße? Schwang nicht. Die Tänzerinnen auf der Bühne? Tanzten noch. Henry? Hatte seine Schrotflinte noch nicht in der Hand. Waupee? Saß teilnahmslos in der anderen Ecke. Die Pokerspieler am größten Tisch? Lieferten sich eine zünftige Schlägerei. Glücklicherweise hielten sie sich an die Etikette und verzichteten auf Schusswaffen und Messer, sodass John mit zwei Schüssen in die Decke schnell für Ruhe sorgen konnte. Er besah sich die Raufbolde und kam zu dem Schluss, dass Doktor Motician sie alle würde flicken können. Doch vorher hatte er eine Frage: „Hee, was soll der Mist? Hier wird nicht falsch gespielt! Also, wer wird geteert und gefedert?“
Die Kerle – vermutlich Holzfäller auf der Durchreise – sahen ihn erstaunt an. Einer sprach: „Hey Sheriff, niemand hat falsch gespielt (hoffe ich). Wir haben eine ganz andere Meinungsverschiedenheit.“
John brummte: „Lasst hören!“
„Nun, wir reisen schon eine Weile zusammen und dachten, dass wir gut zueinander passen, weil wir alle letztes Jahr aus Europa kamen und dort von ähnlichen Plätzen kommen.“
„Naja“, rief ein langer Blondschopf dazwischen, „der ist aus Dänemark, ich aber bin aus Norwegen. Das ist ganz was anderes!“
Der erste, ein kräftiger Mann mit rotem Vollbart, sprach weiter: „Ist gut, Ole. Ich kann dich noch verstehen, wenn du besoffen im Traum redest und das können die ganzen Typen aus England oder den deutschen Landen nicht. Außerdem ist das gar nicht der Punkt, Herr Sheriff.“
Er streckte John nun eine Pranke entgegen, in die der Sheriff nach kurzem Zögern einschlug. Er spürte keinerlei Aggressivität mehr von diesem Haufen ausgehen und war immer interessiert an Geschichten aus der alten Welt, in der er selbst nie gewesen war.
„Gestatten: Daniel Hansen, die meisten nennen mich Dan.“
„John Fitzburn, die meisten nennen mich Sheriff“, entgegnete John. „Däne, Norweger, ihr seid also Skandinavier, nehme ich an?“
„Präzise“, antwortete Dan. „Mit mir drei Dänen, mit Ole zwei Norweger, Ola, Sven und Emil sind aus Schweden und Jari dort“, er deutete auf einen bleichen Mann undefinierbaren Alters, der noch keine Miene verzogen oder ein Wort gesagt hatte, „besteht darauf, aus Finnland zu sein, obwohl das zum Zarenreich gehört.“
„Bin kein Russe“, kam es jetzt von Jari. „Kein Schwede, kein Skandinavier. Finne, perkele!“ Er murmelte noch etwas weiter und es hörte sich für John eindeutig nach einer Schimpftirade an. „Ihn“, sagte Dan mit einem Lachen, „verstehe auch ich häufig nicht.“
„Hier ist es egal, woher ihr kommt. Erst recht, wenn ihr schon so weit im Westen seid“, begann John seine Ansage, die er so ähnlich schon oft gemacht hatte. „Aber ihr müsst euch benehmen, sonst bekommt ihr Probleme, denn auch wenn wir hier ohne Könige und ihre Lakaien leben, so wollen wir doch eine Ordnung. Ihr müsst für alle Schäden am Saloon aufkommen und seid bloß froh, dass der Spiegel nichts abgekriegt hat.“
„Natürlich, Sheriff. Es tut uns leid, dass unsere Diskussion so hitzig wurde. Willst du uns helfen, sie friedlich zu beenden?“
Er rief zu Henry: „Barkeeper? Eine Runde für den Sheriff und uns!“
Henry, erleichtert über das schnelle Ende des Tumults, wechselte einen Blick mit John und entgegnete dann: „Gerne, aber nur mit meinem Spezialgetränk.“
Dann füllte er eine Reihe Gläser mit Heisenzwergs Brause und brachte sie an den Tisch. Nachdem alle eins hatten, hob John sein Glas, sah in die Runde und sagte: „Cheers! Wie sagt ihr?“
„Skål!”, stimmten Dänen, Schweden, Norweger ein.
„Kippis!“, kam es von Jari.
Dann probierten sie, was Henry ihnen als sein Spezialgetränk vorgestellt hatte.
„Hmm ja, ganz in Ordnung“, drückte Dan seinen ersten Eindruck aus. „Kommen wir zum Grund unseres Streits. Wir sind auf dem Heimweg, um Weihnachten bei unseren Familien zu sein und irgendjemand stellte die berechtigte Frage, ob unsere Kinder glauben werden, dass der Weihnachtsmann auch hierher kommt. Es ist schließlich schon weit von Grönland nach Skandinavien. Dann noch hierher? Selbst mit einem fliegenden Schlitten dauert das, wir waren Wochen auf See.“
Erstaunt registrierte John, dass unter den anderen wieder Unruhe aufkam. Ihn selbst irritierte zugegeben, dass der Däne Santa Claus als „Weihnachtsmann“ bezeichnete, aber dafür würde er niemandem eine verpassen. Die Frage an sich würde er als Hobbyastronom natürlich damit beantworten, dass der Weg über den Ozean in sehr nördlichen Breiten kürzer war und es mit einem fliegenden Schlitten und dem Zeitunterschied aufgrund der Erdrotation sicherlich vorstellbar war, auch in Amerika Geschenke zu liefern. Ihm musste etwas entgangen sein.
„Dabei stellte sich heraus“, lieferte Dan nun die Erklärung, „dass wir uns ausgesprochen uneinig darüber sind, wo der Weihnachtsmann wohnt und jeder die anderen von seiner Version überzeugen will, damit alle Kinder die Wahrheit lernen.“
John schaute verdutzt. Darüber hatte sich diese offensichtlich eingeschworene Truppe so streiten können? Wenn das häufiger passierte, würde es eine Menge Unruhe unter die Siedler bringen und Weihnachten wäre nicht länger das Fest der Liebe sondern ein weiterer arbeitsreicher Tag für alle Sheriffs im ganzen Land. Er brauchte eine Idee und er brauchte mehr Fakten.
Daher fragte er: „Welche Ansichten vertreten die anderen? Bitte zählt sie alle auf.“
Der Norweger Ole begann: „Wir haben erst vor wenigen Jahren von dieser Gestalt gehört, von Dänen und Deutschen, aber es ist eine gute Geschichte für die Kinder, die wir gerne übernehmen. Nur der Name geht gar nicht.“ Er verzog das Gesicht und schnitt Grimassen, während er mit deutlicher Abneigung versuchte, den offenbar dänischen Namen auszusprechen: „Julemand...Julemäuie...Julemnmn... Wer soll das aussprechen können?! Julenisse, dann darf er gerne auf Grönland wohnen! Wobei mir der Nordpol lieber wäre.“
John konnte die Abneigung gegen den Namen nachvollziehen, musste aber neutral bleiben und fuhr daher fort: „Was ist die schwedische Position?“
Einer der drei Schweden antwortete: „Wir haben weniger ein Problem mit dem Wohnort, solange er abgelegen ist. Wenn es schon ein Mann statt des Bocks sein soll, muss er aber wenigstens Jultomte heißen. So wie der Haustomte auf jedem Hof.“
John entschied für sich, dass sie einen neutralen, normalen Namen bräuchten und blickte Jari fragend an. Der Finne sagte: „Auf einen Bock werden wir uns wohl nicht mehr verständigen können, also meinetwegen Weihnachtsmann. Er wohnt im Norden, weit weg von allen und hat seine Ruhe. Barkeeper? Noch ein Glas!“
John wandte sich an Dan: „Das war interessant, danke. Wann wollt ihr weiterreisen?“
„Wir warten hier auf den nächsten Zug. Morgen sind die Gleise sicher noch nicht verlegt. Wieso fragst du?“
„Ich glaube, dass ich euch weiterhelfen kann, aber muss noch eine Nacht drüber schlafen. Wir treffen uns morgen Abend wieder hier, vertragt euch!“
Damit ging John nach Hause und legte sich schlafen.
Energisches Klopfen riss ihn aus einem verrückten Traum mit fliegenden Rentieren, die Limonade tranken. Der Lärm kam von der Hintertür. Jetzt hörte John auch eine Stimme: „Ich bin's, Henry. Mach auf, schnell!“
Er erkannte die Stimme als die des Barkeepers und öffnete die Tür. Henry drückte sich durch und schloss die Tür wieder. Dann begann er, hastig zu reden: „Heisenzwerg, du musst ihm helfen! Die GEZ ist hinter ihm her, er hat ein Telegramm geschickt. Versteck ihn hier, sie dürfen hier nicht suchen! Außerdem hast du gestern meinen Nachttopf erschossen, ich will einen neuen!“
John hatte nicht wirklich verstanden, was los war, aber Henrys offenkundige Sorge um Heisenzwerg alarmierte ihn. Ein paar Minuten später hatte der Barkeeper ruhiger berichtet, was er wusste. Sein Lieferant hatte Probleme mit der Getränkeeinsatzzentrale und weil mit denen nicht wirklich zu verhandeln war, hatte er sich zur Flucht entschieden. Also war er mit seinem gesamten Vorrat an Speziallimonade auf dem Weg zu Henry, doch der musste als Saloonbesitzer die GEZ-Kontrolleure überall hinlassen. Das Sheriffbüro allerdings war Sperrzone für sie. So kam es, dass wenige Stunden später der Wagen von Doktor Motician beladen mit Fässern vor Johns Büro hielt und der Sheriff scheinbar einen Gefangenen nach drinnen brachte.
Zu dieser Zeit begab es sich außerdem, dass Ole und Ola auf die Hauptstraße traten und Henry neben dem Wagen entdeckten: „Hey Barkeeper! Hast du Nachschub von deinem Spezialgetränk besorgt oder was?“
Sie hatten es nicht wirklich ernst gemeint, doch voll ins Schwarze getroffen, denn der Wagen war natürlich mit Heisenzwergs Vorrat beladen. Henry ergriff die Gelegenheit beim Schopf und winkte sie heran: „Hey, ihr mögt das Zeug, wie? Hört zu, ihr könnt uns helfen. Demjenigen, der die Brause braut. Er steckt in Schwierigkeiten.“
Die beiden Männer signalisierten, dass sie mehr hören wollten und gerne halfen.
„Dann nehmt seinen Wagen und fahrt damit nach Hause. Ich hoffe, dort wird er nicht gesucht.“
Sie gingen ins Sheriffbüro, in dem John gerade fieberhaft nach weniger auffälliger Kleidung für Heisenzwerg suchte. Henry wandte sich an den Brauer: „Kannst du in einen anderen Staat, hast du dann Ruhe vor der GEZ?“
„Nun ja, in den meisten Staaten bin ich wohl schon bekannt, aber es gibt wohl noch welche, ja. Im Norden.“
„Da wollen wir hin, nach Minnesota“, sagte Ole. „Ehrensache, dass wir den Erfinder dieser wunderbaren Brause (und seinen Vorrat) mitnehmen.“
„Der erinnert mich an den Jultomte“, sagte Ola unvermittelt.
„Und so kam es, dass die Holzfäller den guten Heisenzwerg als Maskottchen ihrer neuen Getränkefabrik ausgaben und zu ihren Familien nach Minnesota fuhren. Mit einem Wagen waren sie auch nicht mehr auf die Eisenbahnbauarbeiten angewiesen. Sie haben gestern telegrafiert, dass sie angekommen sind“, schloss Henry die Geschichte ab und sah in die Runde. Es war der Weihnachtsabend und alle saßen im Saloon zusammen und hatten gespannt gelauscht, was sich in der Stadt zugetragen hatte.
„Aber wo wohnt denn jetzt Santa Claus?“, wollte Maria wissen. „Wohin soll ich meine Geschenkwünsche telegrafieren?“
„Gute Frage“, begann John. „Wir haben eine Lösung gefunden, mit der sie alle leben können und Heisenzwerg hat die entscheidende Rolle dabei gespielt.“
Nachdem Ola die Ähnlichkeit zu der Figur, die sie fortan Santa Claus nennen wollten, aufgefallen war, hatte sich schnell alles ergeben. Der alte Mann mit dem weißen Bart lebte weit im Norden fernab aller GEZ-Schnüffler und sonstiger Unruhestifter – nämlich am Nordpol – und stellte dort seine Spezialbrause her. Um diese das ganze Jahr und zu Weihnachten natürlich Geschenke ausliefern zu können, hatte er einen fliegenden Schlitten mit Rentieren, die die Limonade ebenfalls liebten. Aus steuerlichen Gründen gab es eine Filiale in Minnesota, die von einem Trupp ehemaliger Holzfäller aus Skandinavien (und Finnland) geführt wurde und in der man auch den ein oder anderen Blick auf den Jultomte, Julenisse, Joulupukki oder Weihnachtsmann erhaschen konnte.
„Naja, vermutlich wird sich Santa Claus durchsetzen, das hatten wir ja so vereinbart. Diese Geschichte werden unsere Freunde von nun an ihren Kindern erzählen und dann werden sie auch die anderen Familien übernehmen und sie wird sich zusammen mit Heisenzwergs Spezialbrause überall verbreiten“, meinte John. „Darauf trinken wir!“
Die Flasche wirklich guten Whiskeys, die Henry ihm später am Abend überreichte, steht noch immer ungeöffnet im Sheriffbüro unter dem durchlöcherten Wandkalender.