Dürfte einfach sein...
Die Kleinen machen die Drecksarbeit
Während die Sonne vom wolkenlosen Himmel schien, die Luft von Insekten sirrte und die Vögel zwitscherten, spielten einige kleine Jungen vor dem Haus mit einer Holzkugel. Sie war ihnen sehr wichtig, konnte man damit doch allerlei tolle Sachen machen, etwa weit werfen, oder möglichst genau ein Ziel treffen.
Einer der Jungen, Michael, wohnte hier, die anderen waren seine Cousins, die diesen Sommer aus verschiedenen Städten im Osten hier bei ihm auf der Farm im Westen zu Besuch sein durften.
Eine Frau trat aus dem Haus und bat ihren Sohn, mit ihr rein zu gehen. Doch zurück kam nur genervt: „Och Ma, ich muss gerade gegen Peter gewinnen, schau nur, wie gut ich getroffen habe!“
„Nein, du kommst jetzt rein!“ Energisch wurde Michael von seiner Mutter von der Gruppe weg und ins Haus gezogen.
„Dein Vater…“
Schlagartig war Michael klar, was los war. Er hatte es schon lange gewusst, aber immer verdrängt, bis zum heutigen Tag, als es nicht mehr ging. Die lockere Stimmung, die er seit Wochen genoss, war wie verflogen und der Junge wusste nicht, wann sie zurückkommen würde.
Schon waren sie im Wohnraum angekommen, wo sein Vater am Tisch saß und sich eine Zigarre gönnte. Er sah nicht aus wie ein Farmer, sondern trug eine Soldatenuniform und hatte ein Gewehr neben sich lehnen.
Bedrückt verabschiedete sich der Sohn von ihm, aber nach der letzten Umarmung konnte er nicht mehr an sich halten: „Ich verstehen es einfach nicht“, brach es aus ihm heraus, „Wieso kann man dir befehlen, in den Kampf zu ziehen, obwohl du nicht willst. Warum musst du das machen, nur weil dieser verdammte König in Washington, der dich gar nicht kennt, gerade etwas gegen die Mexikaner hat?!“
„Mein Sohn, du weißt doch, dass die Herrscher schon immer die Macht über ihr Volk hatten und irgendwer muss ja schließlich kämpfen. Aber ich verspreche dir, dass ich auf dich aufpasse und heil und bald zurückkomme. Mach’s gut.“
Dann stand er auf und Michael hatte keine andere Wahl, als ihm nach draußen zu folgen, wo sein Vater sich von seinen Neffen mit einem kurzen Winken verabschiedete und sich dann auf den Marsch zum Stützpunkt machte. Michael blieb zurück und fühlte sich sehr allein, auch als seine Cousins kamen.
„Wir wollten es euch nicht schon eher sagen, damit ihr nicht belastet seid, aber ein Grund, warum ihr hier seid, ist, dass wir euch als Helfer bei der Ernte brauchen, jetzt, wo Willy weg ist.“
Verständnislos, weil sie nicht wussten, was vorging, nickten die Jungen folgsam und gingen wieder spielen.
Die Mutter aber wandte sich noch einmal an ihren Sohn: „Ich bin stolz auf dich, stolz, dass du die Ungerechtigkeit erkennst, mit der wir leben müssen. Vielleicht kannst du mal etwas dagegen unternehmen, wenn du groß bist. Und vorher beten wir, dass deinem Vater nichts passiert…“
„…nicht so wie Jack, der bei seinem Dienst mit der Munition in die Luft flog, oder Walter, der nur noch einen Arm hat, oder dem tauben Abe, oder Jesse, der nur noch an Krücken laufen kann, oder dem alten Smitty, der seit Jahrzehnten im Rollstuhl sitzt.“, zählte Michael langsam einige Verletzungs- oder Todesfälle auf, von denen er wusste. Schon bei dem Gedanken fröstelte ihn und das lag nicht nur daran, dass eine Wolke vor der Sonne stand und ein Wind aufgekommen war. Würde er bald die Rolle seines Vaters einnehmen müssen?
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